Rezension zu "Maschine (Ein Fall für Peter Conrad 3)" von Barry Stiller
Der Schutzbund, so mag es dem rationalen Leser erscheinen, ist nicht mehr als eine Gruppe harmloser Spinner, die vor Elektrosmog warnen und allerhand Verschwörungstheorien anhängen; so sind sie der Überzeugung, dass die Regierung oder welche einflussreiche Gruppe auch immer, Denken und Handeln der Bevölkerung durch allerlei Substanzen manipuliert, die sie zum Beispiel dem Trinkwasser beimischen, oder durch elektrische Einwirkungen, Wellen oder wie sonst man ihre diffusen Ideen verstehen möchte, die Menschen zu ihren willfährigen Subjekten machen. Um sich davor zu schützen ergreifen sie eine Reihe von Vorsichtsmaßnahmen in ihrem täglichen Leben, die dieses nicht nur verkomplizieren sondern sie selbst auch zu gehörigen Paranoikern machen. Äußeres Zeichen dieser Abgedrehten ist eine mit Alufolie oder einer Art Drahtgestell ausgekleidete Mütze, die ihnen auch den im Roman durchgehend gebrauchten Namen Aluhüte einbringt.
Und über eben jenes Völkchen stolpert die ewig neugierige Archäologiestudentin Lisa Franks, ohne zu ahnen, dass sie sich damit buchstäblich - und einmal mehr! - in des Teufels Küche begibt! Die harmlosen Spinner sind nämlich genau das nicht, wie Lisa sehr bald feststellt, nachdem sie sich leichtfertig dazu entschlossen hat, an einem Bergcamp der Gruppe teilzunehmen, bei dem Unheimliches geschieht, das in zweifachem Mord endet, über dessen Hergang sich die Campteilnehmer der Polizei gegenüber ausschweigen, immer schön dem Motto der drei Affen folgend.... Lisa wird gewarnt und sollte gewarnt sein, sich nun schleunigst zurückziehen, am besten alles, was sie gesehen und gehört hat, vergessen und ihrem Tagwerk nachgehen, das heißt zur Abwechslung mal weiterstudieren!
Dass sie genau das nicht tut, ahnt der Leser, zumal, wenn er die oft unbedacht, aus dem Bauch heraus und tollkühn agierende junge Frau bereits aus Informium und Blut, den beiden Vorgängerbänden, kennt. Nachdem der anfängliche Schock überwunden ist, zieht sie alsbald ihren Fachkollegen, den ewigen Doktoranden der Anthropologie, Peter Conrad, der zunächst recht verpeilt und antriebsschwach daherkommt, in die Geschichte hinein. Und, hast du nicht gesehen, stellt Conrad flugs Parallelen fest zu einer Expedition in Slowenien, an der er selber sechs Jahre zuvor teilgenommen hatte und die nicht nur von Beginn an eine Menge Merkwürdigkeiten aufwies sondern auch noch in einem ebenso seltsamen "Unfall" endete, der die Teilnehmer, Conrad vorneweg, rasch das Weite suchen ließ...
Doch wie so oft im Leben - die Vergangenheit holt einen doch immer wieder ein! Der wackere Anthropologe ohne den begehrten Titel, deshalb unbefriedigt seiner universitären Tätigkeit nachgehend, macht sich mit Verspätung daran, den Geschehnissen von damals, hinter denen er ein handfestes Verbrechen wittert, auf den Grund zu gehen, was ein so wagemutiges und gefährliches wie schwieriges Unternehmen ist, wenn man bedenkt, dass Ende der achtziger Jahre, in denen das Autorenduo seinen Krimi spielen lässt, Nachforschungen wirklich mühsam waren, denn von Google und Co. konnte man damals höchstens träumen, wenn überhaupt, und für Informationen musste man sich schon hinausbequemen aus seinem bequemen Sessel und sich in die feindliche Welt begeben!
Was der, wie man schnell feststellen kann, mit einer gehörigen Portion detektivischem Spürsinn ausgestattete Peter Conrad und seine furchtlose und manchmal zu spontane Gefährtin unter Lebensgefahr herausfinden, ist so unglaublich wie spannend zu lesen - und ganz gewiss nicht vorhersehbar. Dass dabei die "Maschine", die der Geschichte ihren Titel gegeben hat, eine zentrale Rolle spielt, ist nicht schwer zu erraten, doch was es damit auf sich hat, bleibt über den größten Teil der Handlung ein Rätsel - das freilich verhindert, dass der eine oder andere Leser, dem die komplizierte Welt der Technik nicht nur ein Buch mit sieben Siegeln ist, sondern darüber hinaus schlicht und einfach uninteressant, vorzeitig abspringt, denn man will ja schließlich wissen, ob die vielen Vermutungen, die man inzwischen angestellt und oft genug wieder verworfen hat, tatsächlich zutreffen!
Und schließlich steckt noch viel mehr in dem Krimi, wie es zu entdecken gilt und selbstverständlich auch zu ahnen war, denn das, wofür "Maschine" eigentlich steht, ist, gelinde gesagt, skandalös und durchaus dazu angetan, die eine oder andere Illusion zu verlieren oder festzustellen, wie blauäugig man manchmal doch durchs Leben tappt. So gesehen haben gewiss auch Spinner wie die Schutzbündler ihre Daseinsberechtigung! Und ja, es bedarf immer auch einiger Furchtloser, die sich in eine der vielen verborgenen Höhlen des Löwen wagen, um gewisse Machenschaften aufzudecken - ganz so eben, wie es Conrad und Franks tun, wobei ihr offensichtlicher Dilettantismus schon manchmal ein Ärgernis sein kann. Der Erfolg rechtfertigt die Mittel? Mag sein, zumal, wenn dadurch Schlimmeres verhindert werden kann! Aber ob das wirklich so ist in unsrem neuen Fall des Archäologen-Gespanns Conrad und Franks mag jeder Leser selbst entscheiden - sobald er sich erholt hat von einem Krimi, den ich durchweg als düster und beängstigend empfand, bei dem mir die feine Ironie und, abgesehen von dem Schutzbund-Klamauk, der Spaß fehlte, den ich in "Blut" reichlich entdecken konnte, ebenso die Eleganz die jenen auszeichnete, und der gewiss nicht dazu angetan ist, sich nun befriedigt wieder seinem zum Glück weit weniger aufregenden Alltag zuzuwenden. Bleibt die Hoffnung auf ein geschmeidigeres, ansprechenderes Thema im nächsten Fall der beiden Amateurermittler....