Cover des Buches Im Wespennest (ISBN: 9783423625340)
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Rezension zu Im Wespennest von Bart Moeyaert

Rezension zu "Im Wespennest" von Bart Moeyaert

von Charlousie vor 11 Jahren

Rezension

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Charlousievor 11 Jahren
“Du kannst wählen. […] Entweder bohrst du mit dem Finger im Nest […] oder du rennst ganz schnell weg. […] Du bist schließlich allein, Suzanne” S. 117 – “Im Wespennest”, Bart Moeyaert © dtv (Reihe Hanser) Der Inhalt: Suzanne erinnert sich. Während die Vorbereitungen für das Sommerfest auf Hochtouren laufen, sieht sie ihre Vergangenheit. Ihre Geburt, ihre Kindheit in ganz jungen Jahren und jenes schreckliche Ereignis, das sie und ihre Mutter irgendwie voneinander entfremdet hat. Es sind die Hunde, durch die sie die Vergangenheit nicht ruhen lassen können. So muss Suzanne am Ende die Entscheidung fällen: Vergangenheit oder Gegenwart. Konfrontation oder Ausweichen? Große Symbolik verpackt in eine schlichte Geschichte, in deren Fokus das Dorf und die junge Suzanne stehen “Im Wespennest” symbolisiert wesentlich mehr, als nur die Geschichte eines Dorfes. Bart Moeyaert verwendet das Dorf und das metaphorische Wespennest als ein exemplarisches Beispiel, das man auf so viele andere Bereiche im Leben anwenden könnte. Im Wesentlichen bezieht sich das exemplarische Beispiel auf den Mut und die Kraft, die es braucht, um sich einem Konflikt zu stellen oder sein Leben in Unzufriedenheit weiter zu begehen, indem man den Konflikt zu ignorieren oder zu verdrängen versucht. Flucht oder Angriff? Keine flotte Unterhaltungslektüre, Sätze, die zum Nachdenken hängen bleiben “Im Wespennest” ist ein Buch, das zum Nachdenken anregt und beinahe schon den Charakter einer Kurzgeschichte besitzt. Ein explizites Ereignis wird aufgegriffen, näher beleuchtet und am Ende dann doch recht offen gelassen. Allerdings versorgt Bart Moeyaert seine LeserInnen zu Beginn mit einigen Hintergrundinformationen, die durch wechselnde Zeiten, das Gefühl der Kurzgeschichte wieder verpuffen lassen. Die Vergangenheit wird langsam aufgerollt, während man sich in der Gegenwart sanft fortbewegt und sich am Ende beide Pfade begegnen. Obwohl “Im Wespennest” so kurz ist, muss man sich einiges an Zeit und Ruhe nehmen. Bart Moeyaerts Schreibstil ist nicht immer leicht zu durchdringen, da er ziemlich getreu die verwirrte Gefühlswelt der jungen Suzanne wiedergibt, die sich gelegentlich in Gedanken oder gesprochenen Sätzen verhaspelt. Das, und die Zeitsprünge, haben es mir unheimlich erschwert, mich in dieser Erzählung zurechtzufinden. Neutralität und Ohnmacht Insgesamt ist der Erzählton recht neutral gehalten. Ich bevorzuge einen emotionaleren Schreibstil, doch da das eine komplette Geschmackssache ist, kann ich es nicht negativ bewerten. An anderen Stellen passt diese Neutralität wiederum hervorragend und unterstreicht in gewisser Weise die Hilflosigkeit und Ohnmacht, die Suzanne verspürt, und die den LeserInnen ebenfalls näher gebracht werden soll. Entgegen der Meinung der Süddeutschen Zeitung, die auf dem Buchrücken aufgedruckt ist, fühlte ich mich nicht wie in einem Film. Sicherlich sind einige Bilder stark und Bart Moeyaert hat eine lesenswerte Lektüre geschrieben, doch ich bin nicht so beeindruck und überzeugt, wie ich es mir nach dem Klappentext erhoffte. Wie De Morgan schreibt: Ein faszinierendes Werk und eine literarische Perle ist es für mich auch nicht. Ich hatte Mühe, mich in Suzanne hineinzuversetzen, da ihre Erzählperspektive durch die wechselnden Zeiten mit fortschreitender Handlung immer wieder wechselt und die LeserInnen selbst immer anders angesprochen werden. Diese Unschlüssigkeit erschwerte es mir ungemein, überhaupt in die Handlung einzusteigen. Andererseits stolperte ich gelegentlich über mehr als lesenswerte und beeindruckende Passagen: “Suzanne, bleib sitzen!”, sagt meine Mutter mit einer Flüsterstimme. “Sitz!” Sitz! Pfote! Friss! “Belle jemand anderen an”, sage ich. S. 107 – “Im Wespennest”, Bart Moeyaert © dtv Mein endgültiges Urteil: “Im Wespennest” ist keine Lektüre zum Abschalten oder Entspannen. Sorgfältig muss Satz für Satz gelesen und langsam verdaut werden; um jedwede versteckte Anspielung dort, dezent gesetzte Metapher hier, und die zusammenhängende Komplexität insgesamt, zu begreifen. Ich hatte mir mehr Substanz von Bart Moeyaerts Werk versprochen. Möglicherweise mögen andere sie finden, mir blieb sie verborgen, denn irgendwie lief ich mit dem Aufbau, den Figuren und dem Schreibstil so gar nicht konform. Doch solche Werke muss es auch geben: Die einen nicht abstoßen, aber auch nicht anziehen. Neutralität. Gerade so, wie der Tonfall Bart Moeyaerts – und wer weiß – ob nicht auch das letztlich beabsichtigt wurde?
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