Für die beiden österreichischen Brüder Karl und Viktor ist der Erste Weltkrieg schnell vorbei. Bereits im Januar 1915 wartet Karl in der Nähe von Moskau auf den Transport in ein sibirisches Lager. Im Herbst des folgenden Jahres ist auch Viktor dort. Gemeinsam stehen sie drei harte Winter in dem Offizierslager durch, gemeinsam mit vier engen Freunden. Im Frühjahr 1918 wagt die Gruppe die Flucht in Richtung Heimat.
Das Buch handelt von dieser Flucht, die sich über Jahre hinzieht und die ich mir ganz anders vorgestellt hatte. Auch das beschriebene Lagerleben hat mich überrascht: Die Gefangenen hatten Freigang in die Stadt. Sie konnten Post und Pakete empfangen, Briefe verschicken und sie bauten Möbel für ihre Unterkunft. Sicher ging es in anderen Lagern anders zu, aber so wie hier beschrieben, in Chabarowsk, war es wohl in vielen Offizierslagern. Die Flucht beginnt unerwartet mit einer Zugfahrt und bringt die Männer schon ein gutes Stück voran - aber das Land ist riesig. Karls Freundin Fanny schreibt aus Wien: "Du bist dem Pazifik näher als ich dem Atlantik." (S. 13)
Die Erinnerung an Fanny und ihre Briefe sind es auch, die Karl helfen, die Gefangenschaft und die Entbehrungen der Flucht durchzustehen.
Die Fluchtgeschichte war für mich ungewöhnlich und hat mir wirklich gut gefallen. Es gibt zahlreiche Stationen, die die Gruppe passiert und immer wieder geschieht Außergewöhnliches, haben die Freunde Glück im Unglück. Ich habe viel Neues erfahren, z.B. dass es Elsa Hanneken, die Frau eines in der Nähe von Peking lebenden Industriellen war, die den Postbetrieb zwischen den Lagern und Europa organisierte.
Insgesamt ist die Handlung, trotz aller Dramatik, eher ruhig und nüchtern erzählt. Was mich aber praktisch gar nicht erreicht hat, ist die Liebe zwischen Fanny und Karl, die Karl immer wieder heraufbeschwört, indem er sich an die Vergangenheit erinnert oder aus den auswendig gelernten Briefen zitiert. Das hat die Handlung - für mich - eher gestört. Über die Gruppe, ihren Zusammenhalt und Erfindungsreichtum habe ich sehr gerne gelesen, aber mir war von Beginn an klar: Alle werden es nicht nach Hause schaffen. Bedrückt hat mich auch, dass die Gabe, die Karl und seine Freunde mehr als einmal rettet und die ihm viel bedeutet, aus seinem Leben verschwindet.
Die Autorin hat den Roman übrigens auf der Basis von verschriftlichten Erinnerungen eines Offiziers der k.&k.-Armee geschrieben.