Rezension zu "Good Morning, Mr. President!" von Beck Dorey-Stein
Vorab möchte ich sagen, dass ich eigentlich 3,5 Sterne geben wollte, dies aber nicht möglich ist.
Das Buch "Good Morning, Mr. President" von der Englisch-Absolventin und ehemaligen Lehrerin Beck Dorey-Stein fing sehr vielversprechend an: Beck geht mit ihren College-Freundinnen nach Washington D.C., um einen Job als Lehrerin an einer angesehenen Privatschule anzunehmen, allerdings will sie eigentlich nur für kurze Zeit dort bleiben. Doch sie hat die Rechnung ohne die Liebe gemacht: Auf einer Party verliebt sie sich in Sam, einen kalifornischen Politikenthusiasten, dessen Leidenschaft es ist, bei Wahlkämpfen zu helfen. Beck selbst ist nicht wirklich politisch und zudem bald darauf arbeitslos. Während sie also entgegen ihrer Planung doch in D.C. bleibt, um bei Sam zu sein, ist sie pausenlos am Bewerbungen schreiben, doch es hagelt nur Absagen. Bis sie sich aus Spaß auf einen Job als Stenographin bewirbt. Was sie nicht weiß: Es handelt sich um einen Posten im Weißen Haus. Obwohl sie das Bewerbungsgespräch sausen lässt, weil sie den Job nie wirklich machen wollte und denkt, es handelt sich um einen stinknormalen Posten, ist die Personalerin weiterhin an ihr interessiert. Beck hat nämlich an der Schule gearbeitet, auf die Obamas Kinder gingen und so hält man sie für geeignet für die Stelle im Weißen Haus. Beck kann es nicht fassen: Sie, die die arroganten, machtbesessenen sogenannten "D.C.-Kreaturen", die sich überall in der Stadt tummeln, über alles verachtet, soll ins Weiße Haus? Natürlich ergreift sie diese einmalige und glamouröse Chance, der Arbeitslosigkeit zu entkommen. Der Anfang war wirklich sehr unterhaltsam und gut geschrieben. Allerdings ging es bergab, sobald Beck dann erstmal eine gewisse Routine in ihrem Job entwickelt. Die Beschreibungen der Auslandsreisen waren am Anfang noch spannend und witzig, aber irgendwann hatte man das Gefühl, es wiederholt und wiederholt sich einfach immer alles. Klar sind die verschiedenen Reisen erwähnenswert, aber man hätte das deutlich zusammenfassen können. Der zweite Punkt, der mich sehr genervt hat, war die verquere Liebesgeschichte in dem Buch, die sehr viel Platz eingenommen hat. Hätte es sich bei dem Roman nicht um eine reale Biographie gehandelt, hätte ich die Protagonistin als unrealistisch naiv bezeichnet. Aber in diesem Fall hat die Protagonistin ja im wahren Leben so gehandelt.
Beck verliebt sich in einen hohen Mitarbeiter unter Obama, dessen Charme sie nicht widerstehen kann. Doch obwohl er sie immer wieder enttäuscht und mit anderen Frauen flirtet, fällt sie immer und immer wieder auf ihn rein. Bereits im Mittelteil kommt sie zu der Einsicht, dass sie ihm nicht wichtig zu sein scheint und er sie nur benutzt, doch dann steigt sie wieder mit ihm ins Bett. So geht es ein paar Mal: Sie realisiert, dass er sie nur benutzt, hat Breakdowns und beschließt, ihrem Freund Sam endlich treu zu sein und sich nicht mehr auf Jasons Spielchen (so heißt der Womanizer) einzulassen. Dann aber trifft sie ihn zufällig wieder in einer Hotelbar auf einer der Auslandsreisen, er sagt ein paar nette Worte und sie lässt sich wieder auf ihn ein. Irgendwann war man einfach nur noch frustriert und wollte sie schütteln. Das ist ja alles schön und gut – immerhin geht die Autorin mit ihren Fehlern ehrlich um. Allerdings hat mir diese ungesunde Lovestory und dieses ganze Hin und Her eindeutig zu viel Platz im Buch eingenommen. Erst posaunt die Autorin irgendwelche Weisheiten rum, dass man loslassen muss usw. und wird dann aber doch wieder rückfällig. Irgendwann war man einfach nur noch genervt und gelangweilt und dachte sich: Nicht schon wieder. So blöd kann man doch gar nicht sein. Klar war sie verliebt, aber so blind vor Liebe ist keine Dreißigjährige mit einigermaßen Lebenserfahrung. Und insgeheim wusste sie ja, wie er war. Dazu muss ich aber sagen, dass ich die Autorin grundsätzlich sehr sympathisch fand und es mich daher umso mehr geärgert hat.
Das Buch hatte auch seine guten Seiten – einige Anekdoten über Obama haben mich echt zum Nachdenken gebracht und es war sehr interessant, über allgemein bekannte vergangene politische Ereignisse der US-Historie aus der persönlichen Perspektive einer Mitarbeiterin des Weißen Hauses zu lesen. Zum Beispiel die Schießerei-Tragödien, denen nie Handlungen des Kongresses zur Änderung der Waffengesetze folgten. Aber auch die Besuche des Präsidenten in Kuba und Vietnam, die eine schwierige Geschichte mit den USA haben und sein besonnenes Auftreten bei diesen Gelegenheiten. Aber auch die Wahl von Trump im Jahr 2017 und dass alle fest davon ausgingen, Clinton würde gewinnen. Man konnte all diese Ereignisse noch mal aus anderen Augen sehen, das war sehr faszinierend. Und auch Beck Dorey-Stein hat einige interessanten Einsichten festgehalten, wie zum Beispiel, wie unglücklich die Reichen und Mächtigen in Wirklichkeit sind und was im Leben zählt. Freundschaft nämlich und Menschen, denen man wirklich wichtig ist. Dass man niemandem hinterherlaufen sollte, der einen immer wieder enttäuscht und verletzt (Jason). Auch wenn Beck die Lektion ziemlich spät gelernt hat und meiner Meinung nach echt blauäugig war, war es dennoch eine wahre Einsicht, mit der sich sicherlich viele Leute identifizieren können.
Was auch wichtig im Leben ist, sind die eigenen Talente: Während ihrer Zeit in D.C. entdeckt Beck ihren Hang zum kreativen Schreiben und hält immer wieder Anekdoten fest, zum Beispiel über die Mitarbeiter unter Obama, die sie inspirieren, denen sie diese dann auch teilweise zum Abschied schenkt und über die sie sich sehr freuen. Beck lernt: Wichtig ist nicht dein Jobtitel oder dein Gehalt, sondern das, was dich eigentlich innerlich ausmacht. Deine Güte, deine Freundlichkeit, deine Leidenschaft, dein Optimismus, der Glaube an das Gute.
Auch die Einsichten in die Schlangengrube der Welt der Reichen und Mächtigen hat mir gefallen und die Dinge, die Beck dabei feststellt. Die Menschen, die über einem stehen und einen herablassend behandeln oder unterbuttern wollen, sind insgeheim selbst unglücklich und neidisch.
Auch einige Zitate des Präsidenten, die eingestreut wurden, fand ich sehr interessant und inspirierend.
Allgemein kann ich das Buch nur für diejenigen empfehlen, die nicht erwarten, viel über Obama und Politik zu lesen. Es geht tatsächlich vorrangig eher um Beck, ihre Probleme und die Erfahrungen, die sie während ihrer Zeit im Weißen Haus macht. Mir war das Buch ein wenig zu sehr Tagebuch und zu wenig nach den wirklich wichtigen und interessanten Dingen gefiltert.
Der Mittelteil hat sich sehr gezogen und ich hatte das Gefühl, es gab keinen richtigen Spannungsbogen oder Höhepunkt im Buch. Es hat sich vieles wiederholt und ist ein bisschen vor sich hin geplätschert.
Trotzdem ein Buch, dass interessante Einblicke und Einsichten bietet, allerdings eher auf persönlicher und subjektiver Ebene.