Somna erzählt die Geschichte von Ingrid, die im puritanischen New England des 17. Jahrhunderts lebt. Ihr Mann Roland ist Stadtvoigt und berüchtigter Hexenjäger. In einer Gesellschaft, in der jeder Anflug von Andersartigkeit verdächtig ist, ist Ingrids Leben ohnehin schon geprägt von Angst und Misstrauen. Doch Ingrid trägt ein Geheimnis in sich: Sie hat intensive, erschreckend reale Träume. Dunkel, unheimlich, sinnlich und zugleich verführerisch – in ihnen erscheint eine Gestalt, deren Konturen zunächst nur verschwommen erahnt werden. Ingrid entdeckt in diesen Träumen ihre eigene sexuelle Lust und beginnt, nach Selbstbefreiung zu streben.
Visuell ist der Comic ein absolutes Highlight. Becky Cloonan und Tula Lotay spielen mit verschiedenen Zeichenstilen, wodurch die Grenzen zwischen Traum und Realität, zwischen Klarheit und Verwirrung, regelrecht verschwimmen. Licht, Farbe und Konturen werden meisterhaft eingesetzt, um die düstere, sinnliche Atmosphäre zu transportieren.
Doch nicht nur die Optik stellt die Realität in Frage. Auch Ingrid selbst weiß bald nicht mehr, was wirklich geschieht und was ihr nur in Träumen begegnet. Kann sie ihrem eigenen Verstand trauen? Ihrem Umfeld? Selbst einer engen Freundin gegenüber ist Vorsicht geboten, denn in dieser Gesellschaft ist jede Frau potenziell eine Hexe. Leider bleibt die Dynamik zwischen Frauen hier stereotyp: Misstrauen und Rivalität dominieren, anstatt Solidarität zu zeigen. Dies ist schade, denn eine stärkere Gemeinschaft hätte die Geschichte noch spannender und unvorhersehbarer machen können.
Trotzdem ist Somna ein faszinierender Comic: ein düsteres Setting, intensive Atmosphäre und ein Hauch von Horror. Mit etwas mutigeren Figuren und dem Aufbrechen festgefahrener Muster hätte er sogar zu einem Meisterwerk werden können. So bleibt er ein beeindruckendes, stimmungsvolles Werk, das optisch und emotional überzeugt, auch wenn die Handlung stellenweise vorhersehbar bleibt.
