Cover des Buches Das schwarze Buch der Gier (ISBN: 9783885091028)
tob82s avatar
Rezension zu Das schwarze Buch der Gier von Beile Ratut

Über die Gefangenschaft in der eigenen Geschichte

von tob82 vor 7 Jahren

Kurzmeinung: Über die Gefangenschaft in der eigenen Geschichte

Rezension

tob82s avatar
tob82vor 7 Jahren
Ich habe "Das schwarze Buch der Gier" als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen. Beile Ratut ist eine finnische Autorin, die wohl längere Zeit in der Nähe von Frankfurt am Main gelebt hat. Das Buch wurde in deutsch verfasst und ist keine Übersetzung.

Im Buch erzählt eine Frau namens Alba ihre Lebensgeschichte. Als sie sechs Jahre alt war, wurde ihr zwei Jahre älterer Bruder entführt und konnte nie wiedergefunden werden. Dies wurde zum zentralen prägenden Erlebnis ihres Lebens. In der Familie wurde das Thema nie besprochen und verarbeitet. Ihre Mutter machte aus Albas Sicht einfach weiter wie bisher. Albas Versuche, ein Gespräch dazu zu initieren, wurden immer wieder abgeblockt. Einige Jahre später starb dann auch ihr Vater. Er wurde bei einer Wanderung vom Blitz erschlagen. Aufgrund der angespannten Situation mit ihrer Mutter zieht Alba direkt nach dem Abitur von zu Hause aus, studiert, und arbeitet schließlich als Mathematikerin bei einer Versicherung. Sie nimmt sich selbst nur als Beobachterin des Lebens wahr und ist von der sexuellen Gier der Menschen abgestoßen. Ihre Gedanken kreisen immer wieder um ihren Bruder und um vermeintliche und befürchtete Szenarien seines Schicksals.

Insgesamt war die Lektüre eine sehr zwiespältige Angelegenheit für mich. Der Roman ist nicht unterhaltsam. Das will er sicher auch nicht sein. Viele Stellen sind intensiv und dabei meistens abstoßend. So gibt es Abschnitte, die aus einer Aneinanderreihung von sexueller Gewalt in der Menschheitsgeschichte bestehen. An einer Stelle wird Alba von "Klassenkameradinnen" mit Fantasie-Vergewaltigungsszenen ihres Bruders gefoltert.
Viele Gedanken und Motive werden sehr häufig wiederholt. Das wirkte auf mich teilweise langatmig und zermürbend. Richtige Entwicklung gibt es erst gegen Ende (und das quasi durch eine Deus Ex Machina-Person). Natürlich zeigen diese Denk- und Gefühlskreise auch die "Gefangenschaft" Albas in ihrer "eigenen Geschichte". Die Frage nach der Abhängigkeit von und Anhaftung an unsere eigene Geschichte auf der Suche nach einem eigenen Weg im Leben ist damit ein zentraler Aspekt der Geschichte. An einigen Stellen im Text finden sich dazu sehr schöne Passagen, an manchen Stellen scheint es mir ein schmaler Grat zwischen Kitsch und Tiefe. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das Buch noch einmal zur Hand nehmen werde.
Angehängte Bücher und Autor*innen einblenden (2)

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks