Rezension zu "Als Hitler mir die Hand küßte" von Bella Fromm
Frappierende neue Perspektiven auf die Zeit des Nationalsozialismus sind selten – Bella Fromm bietet eine. Als Gesellschaftsreporterin mit Wurzeln im adelsnahen Großbürgertum ging sie in den ausländischen Botschaften in Berlin von 1930 bis zu ihrer Emigration als Jüdin 1938 ein und aus. Ihre Tagebuchaufzeichnungen zeigen verblüffend, wie hellsichtig Teile der Diplomatie die Absichten und Ziele der Nazis vorhersahen – und wie leichtfertig sie diese aufziehende Gefahr gleichzeitig oft auch nahmen. Die Katastrophe des ganzen Kontinents wird hier mitunter bei einer guten Flasche Champagner wie ein leichtes Sommergewitter abgehandelt, bis die Faktenlage nicht mehr zu übersehen ist und Krieg, Massenmord und Diktatur alle Regeln der Diplomatie über den Haufen werfen. Bella Fromm selbst kann das Land 1938 in letzter Minute verlassen – da ist der Nationalsozialismus längst in alle Bereiche des Lebens, in die Produktionsbedingungen, Industrie und gesellschaftliche Eliten eingedrungen und das, was kommt, weder wegzudiskutieren noch mit Diplomatie zu lösen.