Cover des Buches Lolito (ISBN: 9783855350551)
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Rezension zu Lolito von Ben Brooks

Lolito vs. Lolita oder Etgar allein zu Haus

von Nespavanje vor 9 Jahren

Kurzmeinung: Brooks hat die Tragödie des Erwachsenwerdens wunderbar eingefangen und ich bin auf alle Fälle schon auf seine anderen Bücher neugierig

Rezension

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Nespavanjevor 9 Jahren

Etgar ist zu Haus und mit dem Hund Amudsen auf sich alleine gestellt. Seine Eltern sind in Russland, zur Hochzeit von Etgars Onkel. Seine Freundin weilt in Antigua, allerdings ist er gerade nicht sehr gut auf sie zu sprechen. Nachdem er herausgefunden hat, dass sie fremdgeküsst hat, betrinkt er sich und loggt sich in einem Adultchat ein und gibt sich dort als erwachsener Hypothekenmakler aus.

Im Klappentext zu Ben Brooks zweiten auf Deutsch erschienen Roman heißt es, dass dieser schreiend komisch, zutiefst berührend und (leider) absolut wahrhaftig sei. Ich kann da dem Klappentextschreiberling leider nur sehr wenig beipflichten. Für mich war Lolito weder schreiend komisch, noch zutiefst berührend, auch wenn mir die Geschichte eigentlich sehr gut gefallen hat. Aber das ist ja schließlich Geschmackssache und meine persönliche Meinung. Vielmehr ist es ein zutiefst schockierender Coming of Age Roman, indem Ben Brooks kein Blatt vor dem Mund nimmt und die Dinge beim Namen nennt. Wobei der skandalträchtige Aufschrei möglicherweise einiges an Publicity mit sich bringt. Realitätsnah geschrieben wird es wohl sein, denn der Schriftsteller, dem ich unterstelle sein Metier sehr gut zu verstehen, ist selber der Pubertät kaum entwachsen. Ich für meinen Teil, ohne meine eigene Jugend glorifizieren zu wollen, kann behaupten, dass ich noch zu einer für mich besseren Zeit erwachsen worden bin. Und entgegen anderer Meinung, finde ich sehr wohl, dass dieser Roman auch von Jugendlichen gelesen werden sollte. Schließlich widmet er sich ja genau deren Probleme, ohne jedoch darüber zu jammern oder zu sehr mit dem Zeigefinger zu wedeln. Er beschreibt mit klaren Worten das Elend der Pubertät und den oft viel zu einfachen Zugang zu Drogen, Alkohol und Pornographie.

Lolito hat mich von der einfach gestrickten Erzählweise und dem Inhalt sehr wohl an Ben Brooks deutschen Debütroman erinnert, wenngleich ich dieses Buch ein wenig runder und abgestimmter finde. Es ist ein starker Roman, der leicht zu lesen ist. Eines kann allerdings der Romancier nicht lassen: Mit dem Titel Lolito, bezieht sich Ben Brooks mit einer hohen Wahrscheinlichkeit auch auf das weltbekannte Werk von Nabokov, und der geneigte Leser wird es damit auch in Verbindung bringen. In Nachts werden wir erwachsen, hat er ja bereits seinen Hauptprotagonisten Jasper, sich selbst mit Holden Caufield (=der Fänger im Roggen) vergleichen lassen. Und wie schon in der Rezension seines Debütromans angemerkt, finde ich das ein wenig Hochmütig und zeugt zumindest von einem hohen Selbstbewusstsein des Schriftstellers, auch wenn er sich selbst für kein Wunderkind hält. Zumindest hat er es in einem Interview behauptet. „Definitiv kein Salinger“, hab ich zudem in dieser Rezension getönt. Lolita steht auf meiner Wunschleseliste ganz weit oben und ob nun, der vom Titel indizierte Vergleich hinkt, oder eigentlich sehr passabel ist, kann ich nun (noch) nicht beurteilen. Allerdings ist der Wunsch Lolita zu lesen, stärker denn je.

Der in Berlin lebende Schriftsteller hat die Tragödie des Erwachsenwerdens wunderbar eingefangen und ich bin auf alle Fälle schon sehr neugierig, was uns literarisch von diesem Ausnahmekünstler noch erwartet. Wer seinen ersten auf Deutsch erschienen Roman noch nicht gelesen hat, sollte das nun schleunigst nachholen.

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