Cover des Buches Fast genial (ISBN: 9783257067897)
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Rezension zu Fast genial von Benedict Wells

Rezension zu "Fast genial" von Benedict Wells

von R-E-R vor 11 Jahren

Rezension

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R-E-Rvor 11 Jahren
Francis lebt mit seiner manisch depressiven Mutter in einem heruntergekommenen Trailerpark in einer langweiligen Kleinstadt in New Jersey. Der siebzehnjährige war früher ein guter Schüler und auch ein erfolgreicher Ringer seiner Schulmannschaft. Die Trennung seiner Mutter von Stiefvater und Bruder hat ihn jedoch aus der Bahn geworfen. Als seine Mutter aufgrund eines Zusammenbruchs erneut in eine psychiatrische Klinik eingewiesen wird, lernt er Anne-May kennen, die ebenfalls dort behandelt wird. Seine Mutter versucht sich das Leben zu nehmen. In ihrem Abschiedsbrief klärt sie Francis über das Geheimnis seiner Zeugung auf. Er ist das Produkt eines wissenschaftlichen Experimentes und verdankt seine Existenz dem Samen eines genialen Spenders. Mit den Hinweisen seiner Mutter im Gepäck macht Francis sich mit seinem Freund Grover und Anne-May mit dem Auto auf den Weg quer durch Amerika um den Vater zu finden und dadurch Sinn in sein eigenes Leben zu bringen. Benedict Wells verarbeitet in seinem Roman eine Story, die das Magazin Spiegel im Jahr 2005 unter dem Titel “Genies aus der Kälte” herausbrachte. Es ging dabei um die “Nobelpreis Spermienbank” des Multimillionärs Robert Graham die 1999 geschlossen wurde und aus der 215 Retortenkinder hervorgingen. Eines der Schicksale dieser Kinder die dieser Artikel beschreibt, diente augenscheinlich als Grundlage für den Roman. Francis der vaterlose Junge, dessen Leben aussichts- und perspektivlos erscheint, klammert sich an den einzigen Ast, der sich ihm bietet. Durch die späte Offenbarung seiner Mutter bekommt sein Dasein einen Hoffnungsschimmer. Wer einen genialen Vater hat, kann kein Versager sein. Es sind diese einfachen Formeln, die das Buch zu einer leichten, aber auch enttäuschenden Lektüre machen. Francis bringt den Sinn des Lebens auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Genius ist gleich Erfolg, Erfolg ist gleich Geld, Geld ist gleich Glück. So meint er seine große Liebe Anne-May für sich gewinnen zu können, so meint er das Rezept für ein erfülltes Leben zu haben. Die Oberflächlichkeit der Handlung und ihrer Figuren wird dem ernsten Grundthema in keiner Weise gerecht. In einer kurzen Sequenz schreibt Wells über ein weiteres Retortenkind. Ein Mädchen, dass seinen “Spendervater” gefunden hat, von ihm zurückgewiesen wird und daran zerbricht. Hier scheint blitzlichtartig auf, worum es in diesem Buch hätte gehen können. Was passiert mit Kindern, die ihre Wurzeln nicht kennen? Wo die fehlende Identität das Leben vergiftet oder zur ewig schwärenden Wunde wird? Wo die Zurückweisung zur niederschmetternden Erfahrung eines jungen Lebens wird? Wells hat aber nur einen leicht verdaulichen “Roadmovie” mit einem unreifen Helden inszeniert, der sich eher von seinen Genitalien als von seinem Hirn leiten lässt. Seine Hauptfigur begreift das Leben als ein Glücksspiel. Rot oder Schwarz, Hopp oder Topp, Alles oder Nichts. Das Leben ist ein Abenteuer und will gespielt werden. Oft ist dazu auch Glück notwendig, aber ein Glücksspiel ist es deshalb noch lange nicht. Eigentlich hätte der Held auf seiner langen Reise quer durch die Staaten Zeit gehabt, das zu lernen, wenn Wells ihm die Möglichkeit dazu gegeben hätte bzw. dazu in der Lage gewesen wäre. Aber scheinbar waren ihm “Sex, Drugs und Rock’n Roll” sowie geographischen Besonderheiten wichtiger. Schade.
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