Rezension zu "James" von Percival Everett
Als Fan von Mark Twains Büchern über Tom Sawyer und Huckleberry Finn war ich sofort interessiert, als ich erfuhr, dass Percival Everett seine ganz eigene Version davon verfasst hat und die Geschichte von „Huckleberry Finns Abenteuern“ aus der Sicht des Sklaven Jim erzählt. Zunächst stimmt die Handlung noch ziemlich überein und erweitert sie durch neue Aspekte und die andere Perspektive. Das ist sehr interessant und durch die vielen umgangssprachlichen, grammatikalisch nicht immer ganz korrekten Dialoge sehr authentisch (es ist eine spezielle Ausprägung des Südstaatenenglisch, wie es im Nachwort heißt). In der zweiten Romanhälfte löst sich die Geschichte zunehmend von der Vorlage und führt zu gänzlich neuen Abenteuern mit einer Gesangstruppe, dem Ausbruch des Bürgerkriegs, ungeahnten familiären Verbindungen und einem Sklavenaufstand.
In Percival Everetts Version liegen die Motive Abenteuer und Freundschaft eher im Hintergrund, hauptsächlich geht es um das beschwerliche Leben der Sklaven. Natürlich werden dabei sämtliche möglichen Register gezogen. Es gibt Folter, Lynchjustiz, Sklavenhandel, absichtliches Analphabetentum, und sogar Blackfacing.
Einerseits funktioniert das alles und passt gut zur Geschichte. Andererseits missfällt mir als Fan der Vorlage die sukzessive Loslösung von der ursprünglichen Handlung. Mir gefällt auch nicht jede Wendung, die der neue Roman nimmt und in welchem Licht er manche Originalfigur dastehen lässt. Als eigenständiger Roman ist „James“ aber zweifellos sehr gelungen.
Die ungekürzte Fassung hat eine Dauer von reichliche acht Stunden und wird von Benito Bause gelesen. Er macht seine Arbeit ohne Frage hervorragend. Dennoch empfand ich seine Stimme vor allem zu Beginn als zu jung für Jim und habe daher einige Male fälschlich angenommen, ich würde Hucks Sicht der Dinge lauschen. Dass der Originalroman aus Hucks Sicht geschildert ist, trug sicherlich ebenfalls dazu bei.