Cover des Buches Amuse-Gueule ist kein Dorf in Sachsen (ISBN: 9783784433455)
Rezension zu Amuse-Gueule ist kein Dorf in Sachsen von Benjamin Kindervatter

Ein Amuse-Gueule, das wirklich Appetit macht.

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 10 Jahren

Kurzmeinung: Witzige, intelligente Liebesgeschichte nach sächsisch-französischer Rezeptur.

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 10 Jahren

Ein Amuse-Gueule blieb sie nicht lange, die bildhübsche Parisienne Marianne, die eigentlich nur einen Teil der Wohnungsmiete übernehmen sollte. Statt dessen entwickelte sie sich der Liebe wegen zur kompletten Hauptmahlzeit in Benjamin Kindervatters Leben. Er, dessen Bindungen so zahlreich waren, dass er Chefübersetzer bei der UNO hätte werden können, wenn er die jeweilige Muttersprache seiner Freundinnen gelernt hätte, war wieder einmal allein und suchte eine Mitbewohnerin, die eventuell auch Staubsauger, Bügeleisen und einen Esstisch mit Stühlen in eine WG mit einbringen konnte. Das alles wurde zweitrangig als er auf dem nebelumhagenen, zweitausend Meter hohen Gipfelplateau des Krätschell Marianne Rameaux begegnete und ihr zuliebe sogar unverdrossen einem Mimolette-Käse zusprach, der den ungewöhnlichen Geruch getragener Sportsocken verbreitete und eine französische Delikatesse ist. Und nicht nur der Käse war es, bei dem die Neigungen, Gewohnheiten und Gebräuche der Beiden erheblich auseinander gingen.

Hier gibt es einen absolut amüsanten Schlagabtausch zwischen Leipzig und Paris. Auf der einen Seite ist Marianne, die sich den gewohnten Pariser Chic über so zahlreiche Bestellungen im Internet ins traute Heim holt, dass man die unverdrossene DHL Botin zum Dank zum Geburtstag einlädt, auf der anderen Seite steht Benjamin, dessen Highlights in der Jugend unter Anderem sein "TSK" (Tragbare Seifen-Kiste) und die Zeltscheine für den FKK-Strand in Markgrafenheide an der Ostsee waren. Auch die Freunde, die das ungewöhnliche Pärchen mit in die Verbindung bringt, können gegensätzlicher nicht sein und die skurrilen Szenen des Kennenlernens, die Marianne und Benjamin mit den jeweiligen Eltern des Anderen absolvieren, sind umwerfend komisch. Auf der einen Seite die Verfechter der weltbekannten französischen Küche, die getrüffelten "Canard de Rouen" erwarten, auf der anderen Seite die Erfinder derber Hausmannskost wie "Leipziger Allerlei", das früher einmal - mit zahlreichen Kohlsorten kombiniert - die ganze DDR schlank gehalten hat. Hier begegnen sich Welten, hier treffen "Blauer Würger" und "Asti" auf "Bordeaux" und "Champagner" - das mitzuerleben ist wirklich hinreißend.

Benjamin Kindervatter hat ein humorvolles, intelligentes, flüssiges Debüt geschrieben, an dem man seine helle Freude haben kann. Sollte man allerdings ein Liebhaber von für den Verzehr zubereiteten Schnecken sein, so wird der genussvolle Gedanke daran durch die beschriebene Rezeptur arg geschmälert - wirbellose Hermaphroditen im Knoblauchsud - ganz schön eklig.

Für diese entspannende, liebenswert-witzige Lektüre vergebe ich gerne alle Sterne.

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