Cover des Buches Mein Mann von unter der Brücke (ISBN: 9783948887278)
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Rezension zu Mein Mann von unter der Brücke von Benjamin Schmidt

Mein Mann von unter der Brücke

von Lottchen vor 2 Jahren

Kurzmeinung: Ein kleines, kurzes Buch, das mich sofort begeistert hat. Eine großartige Idee, super geschrieben und ein total überraschendes Ende.

Rezension

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Lottchenvor 2 Jahren

‚Mein Mann von unter der Brücke‘ erzählt die Geschichte von Doreen, die jedes Mal denkt, sie hat endlich die große Liebe gefunden und dann wieder enttäuscht wird. So fängt auch dieses Buch an. Sie wird nicht nur betrogen, dazu auch noch mal gedemütigt. Irgendetwas in ihr geht endgültig zu Bruch und sie verliert sich. Wenn sie dann vor ihrer Haustür einen Obdachlosen liegen sieht, der nicht wirklich bei Bewusstsein ist, sieht sie das als ein Zeichen des Schicksals. Sie nimmt ihn mit in ihre Wohnung und tut so, als ob sie schon seit Langem verheiratet sind.

Die Idee dieses Buches fand ich großartig. Es hat mich neugierig gemacht. Ich wollte wissen, ob so was gut gehen könnte und was für Probleme es alles geben kann. Vieles hat mich aber sehr überrascht. Ich hatte gedacht, sie fragt Theodor, der obdachlose Mann, was er von dem Ganzen findet und, ob er überhaupt mitmachen möchte. Tut sie aber nicht. Es war sehr interessant zu lesen, wie er darauf reagiert und versucht mit der Situation klarzukommen. Doreen ist auf jeden Fall eine sehr starke, obwohl auch komplett zerbrochene Frau. Sie ist so sehr in ihrem Traum gefangen, dass sie es schafft, sogar Theodor an der Realität zweifeln zu lassen.

Was mir sehr gut gefallen hat, ist, wie diese Geschichte aufgebaut ist. Als Leser wird man mehr oder weniger ins kalte Wasser geschmissen. Man betritt Doreens Leben, bekommt ein wenig von ihrer Situation mit, aber man erfährt eigentlich nur das Nötigste. Es gibt keine große Ausschweifungen über ihre Vergangenheit oder Familie. Was erwähnt wird, ist das, woran sie denkt, was sie sieht und was sie fühlt. Als Leser kommt man sie ganz nah, obwohl sie ziemlich fern bleibt. Man ertrinkt in ihren Emotionen, möchte sie helfen, aber weiß, dass man eigentlich schon zu spät kommt. Manchmal kann man nur den Kopf schütteln, manchmal versteht man sie auch.

Auch die anderen Figuren, wie Theodor, Max oder Sina und Luise haben mir sehr gut gefallen. Alle sind sie sehr unterschiedlich, trotzdem kann man sie verstehen. Obwohl ich mit Sina und Luise nie befreundet sein könnte, versuchen sie auf ihre Weise mit dem Leben klarzukommen. Irgendwie fand ich die beiden ziemlich tragisch. Sie tun alles dafür, um in dem Bild zu passen, von dem die beiden denken, dass es gesellschaftlich am angesagtesten ist, verzichten dafür aber auch mehr oder weniger auf alles. Auf jeden Fall auf fast alles, was Spaß macht. Ich hatte das Gefühl, dass sie so sehr damit beschäftigt waren, reinzupassen und zu gefallen, dass sie dabei sich selbst vergessen sind. Sie kommen nur kurz in der Geschichte vor, haben mich aber sehr zu denken gegeben.

Max kommt etwas mehr vor, aber auch nicht so oft wie Theodor oder Doreen. Ihm mochte ich sehr und ich fand es super, wie er dann schlussendlich mit der Situation umgegangen ist. Er ist jemand, der man vertrauen kann und der auch andere Menschen in Not hilft, sie nicht einfach fallen lässt.

Theodor ist dann wieder ein großes Fragezeichen. Er ist einfach da. Man erfährt fast nichts über ihn. Nur das er auf der Straße gelebt hat und wie hart das war. Aber über sein Leben davor, über seine Vergangenheit, wie es passiert ist, dass er auf der Straße gelandet ist, wird gar nichts erzählt. Obwohl ich sehr neugierig bin und gerne mehr über ihn erfahren hatte, fand ich es trotzdem sehr passend, dass das in dieser Geschichte nicht erwähnt wurde. Es handelt sich alles, um das, was jetzt passiert. Darum, das er eines Morgens plötzlich in einem sauberen Bett aufwacht und nicht auf der Straße wie sonst. Darum, dass er verwirrt ist und versucht mit dem Ganzen klarzukommen. Darum, welche Entscheidung er treffen soll. Bleibt er bei Doreen, diese emotional total kaputte Frau, oder wählt er lieber die Gefahren und Entbehrungen von einem Leben auf der Straße, kann da aber sich selbst sein und wird nicht benutzt.

Was mich aber am meisten fasziniert hat, ist, wie die Geschichte erzählt wird. Jedes Kapitel wird von einem Protagonisten erzählt. Weil die Ich-Perspektive gewählt worden ist, kommt man diese Personen als Leser ganz nah. Man erfährt ihre Gedanken und Emotionen. Man denkt und fühlt mit. Man leidet mit. Es geht richtig tief und auch als Leser fängt man an, über die Geschehnisse nachzudenken, über das Warum, aber auch über das Leben im Allgemeinen.

Das Ende war dann für mich eine total Überraschung. Ständig hatte ich Angst vor die Katastrophe, die kommen konnte. Ich hatte schon so viele verschiedene Szenarien im Kopf. Trotzdem kam alles anders.

Insgesamt einen großartigen Roman. Ich liebte den Schreibstil und die fast poetische Sprache. Die Protagonisten haben Tiefgang und ihre Gedanken und Gefühle haben mich sehr berührt. Ein Buch, was mir noch eine Weile beschäftigen wird. Empfehlenswert!

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