Cover des Buches Soloalbum (ISBN: 9783462034967)
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Rezension zu Soloalbum von Benjamin von Stuckrad-Barre

Popliteratur oder so

von fraeuleinbuecherwald vor 10 Jahren

Rezension

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fraeuleinbuecherwaldvor 10 Jahren

Mein erstes Popliteraturbuch! Irgendwie fand ich, die Zeit sei reif, endlich auch mal einen dieser vieldiskutierten Romane in die Hand zu nehmen und die Wahl fiel auf „Soloalbum“ des Bremer Schriftstellers Benjamin von Stuckrad- Barre.

Tja, was soll ich sagen… Die Geschichte ist sehr einfach: Der (übrigens namenlose, oder habe ich etwas überlesen?) Held hat am Anfang Liebeskummer und am Ende immer noch, obwohl innerhalb des Buches etwa ein Jahr vergeht.

Gerade diese Entwicklungs- und Spannungslosigkeit soll das großartige Stilmittel von Stuckrad- Barre sein, habe ich irgendwo gelesen, als ich mich über den Sinn und die Beschaffenheit von Popliteratur informiert habe. Und diese beiden „Losigkeiten“ sind wirklich vorhanden. Die erste Hälfte denkt man sich noch, dass das ja alles ganz okay sei, wenn man nach einer Trennung eine kleine Trauerphase einlegt, in der man sein Leben nicht mehr normal weiterleben kann. Vor allem, wenn man erst Mitte zwanzig ist und das die einzige längere Beziehung war, die man im Leben geführt hat.

In der zweiten Hälfte dagegen fängt der Held an, einen zu nerven. Man möchte ihn am liebsten durch die Buchseiten direkt ins Gesicht schlagen, damit er mal wieder klarkommt und mit diesen sinnlosen Exzessen und diesem Rumgeheule aufhört.

Das Ganze wird untermauert von einer sehr konsequent durchgezogenen Jugendsprache und ganz ganz vielen Musikanspielungen, die tatsächlich das Beste am Buch sind. Auch wenn die 90er so gar nicht meine Zeit sind (als das Buch veröffentlicht wurde, war ich gerade mal 6 Jahre alt und musikmäßig noch nicht so sehr am Puls der Zeit), fand ich es wirklich toll, wie jede einzelne Szene, jedes einzelnes Gefühl in diesem Buch mit einem Lied verknüpft wurde. Und da tut es keinen Abbruch, wenn man mal ein einzelnes Lied nicht kennt.

Sprachlich fand ich das Buch tatsächlich auch nicht schlecht, es ist zwar sehr umgangssprachlich geschrieben, aber zwischendurch gibt es brillante Formulierungen, die einen total begeistern und einen die langweiligste Stelle noch ein zweites Mal lesen lassen.

Die Frage, die für mich bleibt, ist die nach dem Sinn. Warum genau hat Stuckrad- Barre diese Geschichte aufgeschrieben? Was kann ein Leser für sich daraus ziehen? Das ist so nah dran an der Lebenswirklichkeit vieler, dass einen das kaum überraschen sollte, dass es Menschen gibt, die mit ihrem Leben nicht klarkommen und orientierungslos durch die Gegend dümpeln und das dann „ihr Leben leben und sich treiben lassen“ nennen. Vielleicht mag es in den 90ern revolutionär gewesen sein, dass einer das mal aufschreibt, aber da es wirklich 0% Entwicklung des Protagonisten gibt, endet das Buch für mich in gähnender Belanglosigkeit. Man hätte 200 Seiten mehr über ihn schreiben können oder 150 weniger, es hätte nichts an dem Buch, seiner Wirkung oder seiner Handlung verändert.

Was ich auch seltsam fand, war die Beschreibung dieser Beziehung, die nun in die Brüche gegangen ist. Denn offensichtlich haben die beiden nicht mal eine schöne Beziehung geführt, die den Lebensmittelpunkt und den wichtigsten Anker im Leben gebildet hat – im Gegenteil. Neben ihrer Beziehung arbeiteten beide, wie es so schön ausgedrückt wird, an mehreren „Soloprojekten“. Eigentlich beginnt er sie erst wirklich zu lieben, als sie weg ist und versucht sie dann auf sehr hilflose Art und Weise wiederzugewinnen. Insgesamt wirkt er so wie ein kleines Kind, dem man ein Spielzeug weggenommen hat, mit dem es sowieso nie gespielt hat und jetzt, wo es weg ist, ist das Geschrei groß, weil es von einer Sekunde zur anderen zum Lieblingsspielzeug wurde.

Vielleicht soll dieses Verhalten prototypisch für die damals neue Generation der jetzt Mittdreißiger und auch unsere Generation stehen, aber das Buch konnte mich gar nicht abholen und dadurch auch nirgendwo wieder absetzen. Ich blieb trotz den drei Stunden Lesezeit an derselben Stelle stehen und

bewegte mich kein bisschen. Hach, so viel Metaphorik, aber es hat meinen Geisteszustand wirklich gar nicht verändert, ebenso wenig wie der Geisteszustand des Protagonisten sich verändert hat.

Ein positives Wort aber noch zur Aufmachung des Buches! Die Idee, das Buch in A- und B- Seite zu teilen und die Kapitelüberschriften, die sich auf Oasis- Titel beziehen, all das ist wirklich neu und wirklich gelungen und gut umgesetzt.
Wäre ich der Held in Stuckrad- Barres Roman und hätte heute Abend noch nichts vor, würde ich jetzt zu meinem Lieblingszitat aus dem Buch greifen, das eigentlich schon alles beschreibt: „Wir bestellten also Koks und Nutten – durchaus bei unterschiedlichen Lieferservice- Unternehmen!, und dann mal gucken, was eher da war.“ (S. 23)

Kein Kommentar.

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