Rezension zu "Quell des Lebens" von Bergsveinn Birgisson
Dieser historische Roman entführt uns in das 18. Jahrhundert auf die Insel Island, die damals zum Königreich Dänemark gehört. Nach einem heftigen Vulkanausbruch 1783, der die ohnehin karge Vegetation verfaulen lässt, ordnet der dänische König die Zwangsdeportation der Isländer an, die er für minderwertig, stur und unbelehrbar hält, an.
Er entsendet den jungen Wissenschaftler und Kartografen Magnús Egede Erkundigungen einzuholen, um den Plan umzusetzen. Anfangs begegnet Egede den Isländern mit Überheblichkeit, doch bald erkennt er, nicht die Faulheit oder das Unvermögen der Isländer ist schuld an Seuchen und Hunger, sondern die teilweise korrupten Händler, die verschimmeltes Saatgut verkaufen oder der König selbst, der zwar eine Rinderherde nach Island bringen lässt. Das Fleisch der Tiere ist allerdings nur für die Falken, die auf der Insel brüten und seine Falknerei bereichern sollen, und nicht für die Menschen bestimmt.
«Die Ernährung besteht mehr oder weniger aus verrottetem Haifisch oder Plattfisch, dem Rochen, der wie ein Pisshaus in einem Armenviertel stinkt. Da sammeln die Menschen Engelswurz und Flechten und sieden daraus einen starken Trunk, von dem jedem zivilisierten Menschen übel wird. Dasselbe ist über den Lebertran zu sagen, den sie zu allen Mahlzeiten trinken.»
Während seiner kartografischen Vermessungen, bei der Egede feststellt, dass seinen Vorgängern zahlreiche Fehler unterlaufen sind, erliegt er dem Zauber Islands und schildert die vorgefundenen Zustände in zahlreichen Briefen.
«Die Breitenmessungen Knoffs hingegen genossen in der bisherigen Kartografie Islands einen viel zu guten Ruf. Die Wissenschaftsgesellschaft wusste, dass der Franzose de a Crenne auf seiner Karte von 1778 der Wahrheit nähergekommen war, denn dort war der 66. Breitengrad in der Trjekyllivíkurhreppur am nördlichsten Norðurfjörður eingeschrieben, was wiederum um das Cap Nord um 10 Minuten nördlich des Nördlichsten Polarkreises verschob bzw. auf 66 Grad und 40 Minuten nördlicher Breite.»
Meine Meinung:
Dieser historische Roman ist ein beredtes Zeugnis der Arroganz der Herrschenden. Für die Erweiterung seiner Falknerei lässt der dänische König eine große Rinderherde nach Island bringen. Die dort ansässige Bevölkerung, die nach dem Vulkanausbruch und der kargen Ernährung (ver)hungert, erhält nichts davon. Im Gegenteil, sie wird als faul dargestellt.
Der Schreibstil ist eher der eines Historikers, denn eines Romanschreibers. Die große Stärke dieses Romans, nämlich das Eintauchen in die Geschichte Islands, ist gleichzeitig ein wenig seine Schwäche, weil die Auszüge aus Magnús Egedes Berichten in der altertümlichen Sprache und die isländischen Namen nicht einfach zu lesen sind. Hier muss mit Bedacht und Konzentration vorgegangen werden. Als Geodätin bin ich natürlich mit nautischen und vermessungstechnischen Begriffen vertraut, zumal ich auch häufig (alte) Bücher über Entwicklung der Kartografie lese.
Fazit:
Mich hat dieser Ausflug nach Island fasziniert, weshalb das Buch 5 Sterne erhält.