Doppelliebe
von JosefBrodtraeger
Kurzmeinung: Doppelliebe
Rezension
Gleich ab den ersten Zeilen nimmt die Autorin Bernadette Németh in dem Roman Der Rest der Zeit den Leser an der Hand und führt ihn durch diese Familiengeschichte hindurch.
Sie tut das manchmal sehr zärtlich und einfühlsam, dann wieder unmissverständlich und sogar schonungslos aufrichtig, erzählt erotisches Verlangen und Träume genauso meisterhaft wie über den anstrengenden und auslaugenden Alltag einer jungen Turnus Ärztin. Über Daseins- und Versagensängste, Pflichtbewusstsein und Opferrollen. Sie erzählt über Unerfülltes, versteckte Begierden, erwachendem Willen und der Wunsch nach dem richtigen Leben genauso, wie über Verdrängte Ziele und geheime Liebe.
Es ist die Geschichte einer Familie wo die Kinder die Traurigkeit der Mutter fühlen und erahnen, wo diese ihre künstlerische Laufbahn der Familie opfert und die Kinder, zwei Töchter und ein Sohn dadurch selbst in diese Rolle geraten.
„Die Erkenntnis traf ihn so hart, dass er sich hinsetzen musste, die Erkenntnis, dass er nicht alles wusste über seine Mutter; sogar sie trug ein Geheimnis mit sich herum, ein bitteres Geheimnis…Und er fühlte sich schuldig wie er versucht hatte, beides zu haben Agi und Lenka, während der Rest seiner Familie immer dazu verdammt gewesen war zwischen zwei Möglichkeiten zu entscheiden, Ehefrau oder Geliebte, Mutterschaft oder Beruf, Priester oder Familienvater, Ärztin oder Schriftstellerin; alle hatten sie Doppellieben und zerbrachen daran, letzten Endes auch er und seinen Schwestern. Und ausgerechnet er, der immer die höchsten moralischen Ansprüche gestellt hatte, hatte sich nun das unverschämte Recht herausgenommen, ein zweites Leben zu wollen. Und dann wusch er sich die Hände, bis sie bluteten.“
Bernadette Németh geboren 1979 in Wien, wuchs zweisprachig auf und wurde zuerst Journalistin und Ärztin, bevor sie sich immer stärker der Schriftstellerei widmete.