Rezension zu "An Honeckers Seite" von Bernd Brückner
Wie ist es, für den ersten Mann im Staat immer bereit zu stehen, ihn zu beschützen, immer als erster auszusteigen und die Lage zu sondieren? Diese und mehr Fragen versucht uns der Autor, Bernd Brückner, zu beantworten, indem er seine Zeit, immerhin mehr als 10 Jahre, an der Seite von Erich Honecker mit seinen Worten beschreibt. Brückner erläutert die Arbeitsweise von Personenschutz, Sicherheitsdienst, Polizei und anderem Sicherheitspersonal, das streng getrennt voneinander arbeiten musste. Freundschaften beim Personal der einzelnen Bereiche wurden nicht gerne gesehen. Die Eifersüchteleien der Minister, die um die Gunst von EH, wie Erich Honecker genannt wurde, trieben abstruse Blüten. Wie viele unterschiedliche Automobile die Familie Honecker bekam, nur um Aufmerksamkeit vonseiten EH zu erhaschen, schon dafür lohnt ein Blick in dieses Buch.
Jede erdenkliche Möglichkeit, die vermeintliche Attentäter vorhaben könnten werden durchdacht, Gegenstrategien entworfen und eingeübt. Jedes Attentat auf andere Politiker ist ein Vorwand,um den Personenschutz von EH zu überdenken und neu auszurichten. Sehr ins Detail geht der Autor indes nicht, was allerdings verständlich ist. Dafür werden viele Ausfahrten, wer wann wie abgeholt, welche Route gewählt, oder auch nicht, erwähnt. Auch beschreibt Brückner EH mitunter als nicht wissenden Menschen, der von sich und seiner Umwelt einen völlig anderen Eindruck bekommt, als die Realität war. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass EH von der Bevölkerung abgeschirmt wurde, was dieser, laut Brückner, so nie wollte.
Sicher, Brückner kann nur das beschreiben, was er selbst erlebt hat, und so werden wir Zeuge von sehr vielen Jagdausflügen, bekommen Beschreibungen der jeweiligen Hütten, wer an diesen Jagden teilnahm und wer nicht, und vor allem, warum diese Personen nicht teilnehmen durften. Wie der „kleine Erich“, Mielke, versucht hat, EH mit immer mehr Sicherheitsbedenken und dadurch resultierenden Einengungen in dessen Bewegungsfreiheit genervt hat. Wir lernen wichtige Frauen im Leben von Honecker kennen, seine Ärztin und seine Physiotherapeutin. Von seiner Ehefrau, Margot Honecker, eher wenig, Brückner hatte wohl nicht viel mit ihr zu tun. Wie war das Verhältnis zum Rest der Familie? Der Autor gibt uns aus Sicht des Leibwächters, der er war, Einblicke in das Gefühlsleben von Honecker.
Viele der abgedruckten Bilder sollen uns die Geschichten näher bringen, wobei nicht jedes Bild, jede Fotografie uns tatsächlich auch etwas sagt. Und fatal wirkt sich ein Schreibfehler, ausgerechnet in einem Zitat von EH in einer Bildunterschrift aus, abgesehen von vielen Flüchtigkeitsfehlern, unabhängig von der jetzt gültigen Rechtschreibung, die den Lesefluss unterbrechen.
Fazit: Für Sicherheitspersonal und alle interessierten Historiker gibt das Buch aus dem Blickwinkel des Leibwächters von Erich Honecker einiges zum Besten, das vielleicht so nicht vielen bekannt ist. Brückner, der bis zum letzten Tag, immerhin 13 Jahre, in dessen Amtszeit tätig war, hat einen Erfahrungsschatz aus 40 gemeinsam bereisten Staaten, zig Jagdausflügen, Radtouren und etliches mehr, aus dem er uns einiges erzählt.