(Kein) Küstenkrimi mit bayrischem Einschlag
von Claddy
Kurzmeinung: Eine irrwitzige, spaßige Geschichte mit einem nörgelnden Bayern an der Nordseeküste
Rezension
Der bayrische Autor Franz Xaver Stegmayer wird von seinem Verleger Max Hagenbuecher eingeladen, eine Woche an der Nordseeküste bei Friedrichskoog zu verbringen. Erhofft werden das Überwinden der momentanen Schreibblockade und das Entstehen eines neuen Romans, nämlich eines Küstenkrimis. Dieser Plan scheint nicht aufzugehen. Stegmayer fühlt sich in eine ihm fremde Welt strafversetzt und beginnt in seinem Unmut, die Umgebung kritisch zu beäugen und eigene Gedanken und Erlebnisse in einem anklagenden Brief an Hagenbuecher niederzuschreiben.
Bernd Mannhardt hat hier einen wundervollen Rahmen für seinen grantigen und besserwisserischen Nörgelbayern vorgegeben: Er hat ihn, fernab heimatlicher Berge, der Nordseebrise auf einer Deichkrone ausgesetzt. Das hilft weder dem Protagonisten noch der Küste. Aber dem Leser: Zum großen Teil lebt das Buch von dem Witz, der reichlich aus dieser Konfrontation hervorsprießt. Dialekt fließt manchmal mit ein und bedarf mitunter scheinbar der Übersetzung. Überhaupt bilden den eigentlichen Clou die Anmerkungen, mit denen zunächst Max Hagenbuecher, später auch andere Personen Stegmayers Ausführungen kommentieren. Plötzlich tauchen Fußnoten von Leuten auf, die nicht nur keine Berechtigung, sondern eigentlich auch gar nicht die Möglichkeit hatten, sie zu setzen. Und darüber hinaus beginnen sie ein Eigenleben, indem sie nicht nur auf den Inhalt des Kommentierten eingehen, sondern auch aufeinander. Die Krönung ist erreicht, wenn sich die Anmerker auszutauschen beginnen, und das über Dinge, die mit Stegmayers Brief nichts, aber auch gar nichts mehr zu tun haben.
Mit diesem Stilmittel erhält das Ganze eine leicht absurde, fast experimentelle Färbung.
Nun ist der Stegmayer kein angenehmer Zeitgenosse. Zwar benutzt er in seinen schrulligen und konfliktfreudigen Ausführungen häufig hinreißende Ausdrücke (perlt ab), gerät aber mitunter ins Schwadronieren. Diese Weitschweifigkeit passt zu ihm, strapaziert aber etwas. Es entstehen trotz erlesener Zutaten mitunter kleine Längen.
Das Cover outet den Protagonisten gleich als griesgrämigen Zeitgenossen, der dem Meer nichts abzugewinnen vermag, und sticht durch eine durchdachte Farbgebung hervor. Und es zeigt auf, was der Inhalt nicht zu bieten hat: Es handelt sich nämlich keineswegs um einen Küstenkrimi. Der Mut (oder die Frechheit), das Buch mit diesem Etikett zu versehen, ist bewunderswert und zeugt von Humor, könnte indes etwas ernstere Leser enttäuschen, wenn nicht verärgern.
Wer also ein ungewöhnliches, ein intelligentes Büchlein sucht, das zu lesen im Großen und Ganzen richtig Spaß macht, sollte unbedingt zugreifen.