Cover des Buches Carmina Priapea (ISBN: 9783760836515)
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Rezension zu Carmina Priapea von Bernhard Kytzler

Auch die Römer waren nur Menschen.

von Admiral vor 8 Jahren

Kurzmeinung: Perverse und lustige Epigramme aus der Antike. Der Autor will gerne anonym bleiben, versteht sich.

Rezension

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Admiralvor 8 Jahren
"Immerzu versprech ich mich und statt 'wer stiehlt, der wird gezwickt'
sage ich 'gefickt' - die Zunge ist da etwas ungeschickt."





Lasst mich direkt mit diesem Besipiel anfangen, ehe ich irgendwas anfange zu palavern ! Das Gedicht (Nr. 7) sagt schon relativ deutlich, wo wir uns thematisch und stilistisch befinden. Hier geht es witzig zu, hier ist es obszön und hier ist es pervers. Hier wird kein Blatt vor den Mund genommen. Doch was bedeutet "hier" eigentlich ? Das "hier" ist quasi eine große Anthologie von meist kurzen Gedichten mit dem Namen "Carmina Priapea. Gedichte an den Gartengott" (1978) von Kytzler und Fischer herausgegeben und übersetzt. Diese Gedicht haben alle eine Gemeinsamkeit: sie drehen sich in irgendeiner Form um Priap. Der Schwerpunkt des kleinen bandes ist das "Corpus Priapeorum" aus der Kaiserzeit mit 80 Gedichten. Wie Priap selbst sagt (in einigen Gedichten kommt er selbst zu Wort) ist er der wohl unbekannteste Gott des römischen Pantheons. Jeder römische Gott hat in einen mehr oder weniger engdefinierten Tätigkeitsbereich (Venus: Liebe; Mars: Krieg; etc.), so hat Priap die Aufgabe den Garten zu bewachen. Hört sich banal an ? Dann lasst mich nochmal ein Kurzgedicht zitieren, wo Priap selbst die Strafe für Obstdiebstahl beschreibt:




Gedicht 28
"Der du nichts Gutes hier im Schilde führst, der nicht
es lassen kann, das Obst zu stehlen, frecher Wicht,
dir bohr ich in dein Hinterteil mein großes Ding.
Ist diese schlimme, grimmige Strafe zu gering,
dann ziel ich oben dir hinein: ja, im Gesicht !"



Oder Gedicht 13
"Aufgepaßt: von vorn straf ich die Mädchen, hinten straf ich Knaben,
wächst dem Dieb bereits ein Bart, soll er die dritte Strafe haben !"


(gemeint sind in der Reihenfolge des Gedichts: Vaginalsex, Analsex, Oralsex. Aber das dachtet ihr euch bestimmt schon, oder ? ;D )





Damit noch klarer wird, was Priap hier meint, tut folgendes (ja, sollt ihr wirklich, tut es !): googelt "Priap" mit der Bildersuche. Eben hab ich es überprüft und ja, die ersten paar Ergebnisse sind aussagekräftig genug, damit ihr ganz genau erkennt, was er mit "Ding" meint.
So, nun da ihr euch mal ein Bild von Priap angesehen habt, lasst uns weitergehen ! Priap galt als der Gartenwächter, der Einbrecher und Diebe mit seinem riesigen Phallus (= röm. für Penis) in einer für ihn lustvollen Strafe durchvögelt. Der kleine Band beginnt zuvor jedoch noch mit älteren Gedichten aus Griechenland und von anderen römischen Dichtern (zB Vergil, Horaz; mit dem Corpus Priapeorum befinden wir uns evtl. um 100 nach Chr.), wo es noch in gesitteten, unvulgären und normalen Themen um Weihungen und Wächteraufgaben geht. Erst mit der 80-Gedichte-Sammlung des Corpus Priapeorum erhält Priap den neuen Schwerpunkt des strafenden Gartenwächters, dessen Strafandrohung in einer lustvollen Strafvergewaltigung besteht. Dabei ist hier jedoch die Grenze zwischen einer Strafvergewaltigung, in der Priap dem Dieb sein riesiges Glied (ihr habt ja ein Bild gesehen !) in den Hintern schiebt, und einer freiwilligen Hingabe an den Gott natürlich nicht so scharf. Dabei ist natürlich auch Priap darauf bedacht, seinen Spaß zu haben. Beides sollt ihr in diesem Gedicht mal nachlesen:



Gedicht 38
"Mir geziemt es, frei vor dir zu reden, nicht herumzudrücken,
einfach bin ich von Natur, drum sprech ichs aus ganz ungescheut:
ich will ficken, du indessen dir einen Apfel pflücken;
gib du mir, was ich begehre, nimm dir dann, was dich erfreut !"



Das ist das zweite Mal, dass ich so überrascht bin über die römische Literatur (ich hatte bereits vor einiger Zeit den Roman "Metamorphoses" von Apuleius gelesen und -glaube ich- hier auch in einer Rezension vorgestellt, schaut mal rein, wenn ihr Lust habt !). Der perverse und obszöne Humor, der manchmal bis ins dummdämliche reingeht, steht dem Humor unserer Tage in gar nichts nach. Ein letztes Kurzgedicht will ich noch als Beispiel anbringen (ich weiß nicht genau, wie das hier mit den Zitaten ist. Gibts da nicht eine quantitaive Grenze ? Falls ja, muss ich die Beispiele streichen ;/ ):


Gedicht 67
"Fides, Iris, Caesar, Kadmus, Echo, Nestor noch zum Schluß,
jeder ersten Letter wieder eine erste folgen muß:
was das heißt ? Erwisch ich dich beim Stehlen in dem Garten hier,
Dieb, gewährst dus mir, als Strafe für den Frevel droht es dir !"

Das muss ich nicht auflösen, oder ? ;)




Wer nur was vom Inhalt lesen will, kann nun hier aufhören. Ich werde noch etwas zur Gestaltung und so sagen. Sehr positiv ist, dass auf der linken Seite jeder Doppelseite stets das Gedicht in seiner Originalsprache (grch./lat.) und rechts in deutscher Übersetzung ist. Der Übersetzer (Carl Fischer) hat sich höchste Mühe gegeben und die Übersetzungen sind durchaus gelungen. Sie sind auch im Deutsche noch Gedichte (warum die Reime, weiß ich nicht genau, da es in der Antike keine Reime gab) und sind mehr sinngemäße, als wörtliche Übersetzungen.
Manchmal sind die Übersetzungen leider extrem frei. Ich will mal eben das allererste Gedicht, das ich hier zitiere, auf Latein abtippen:


Gedicht 7
"Cum loquor, una mihi peccatur littera, nam TE
PE dico semper blaesaque lingua mihi est."


Mit der Übersetzung ist der Sinn glänzend erfasst und übertragen, nur geht der Wortspiel des Lateinischen verloren, da Priap (geschrieben natürlich dennoch vom Dichter) hier beklagt, dass er einen Sprachfehler hat und immer "t" für
"pe" sagt und diese Wendung (" TE PE dico") "ich sage t für p" ist von der Aussprache her deckungsgleich mit "ich ficke dich". Lässt sich nur leider im Deutschen so nicht wiedergeben.






Schön sind auch die anderen Gedichte vor dem Corpus Priapeorum aus der Anthologie Graeca, von Catull, Bibaculus, Vergil, Horaz, Tibull, Ovid, Petron, etc., da es die thematische Entwicklung schön aufzeigt. Erst bei Martial und hier in dem Corpus Priapeorum wird es echt pervers. Im Anhang befinden sich noch versorientierte Kommentare und Kurzkommentare Lessings und Goethes zu den Priapea. Deren Sinn im Gesamtkonzept des bandes wird erst nachträglich (und nur ein wenig) deutlich durch das Nachwort "Zu dieser Ausgabe". Die versorientierten Kommentare sind zwar sehr gut für Parallelstellen innerhalb des Werkes udn zu anderen Autoren (modern, wie antik), insgesamt aber ohne die Verweise sehr rudimentär bis nichtssagend.
Besondere Würdigung verdient mMn die Einleitung, die von den 231 Seiten des Buches immerhin 26 (S. 8-34) einnimmt. Die ist sehr informativ und schafft eine sehr gute Balance zwischen allgemeiner Einführung und Einzelbeispielen (schaut vergleichsweise für eine schlechte Einleitung mal in meine Rezension zu der Ausgabe von "Frontinus: Des Sextus Julius Frontinus' Schrift über die Wasserleitungen der Stadt Rom" rein).




Sehr lustig und anzüglich ist auch die Homerparodie in der Gedichtesammlung (Gedicht 68). Leider ist sie zu lang für ein Zitat. und zitiert habe ich mittlerweile auch genug. Lest selbst !




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