Rezension zu "20. Juli. Ein Zeitstück. [Theater der Gegenwart]. Mit einem Interview mit dem Autor" von Bernhard Schlink
stefan182Inhalt: Es ist der letzte Schultag. Der Leistungskurs Geschichte diskutiert über das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944. Die Schüler sind sich einig, das Attentat sei zu spät erfolgt; der Lehrer will sich nicht festlegen. Schnell werfen die Diskutanten einen Blick in die Gegenwart: Die rechtsgerichtete Deutsche Aktion hat 37 Prozent in der jüngsten Landtagswahl geholt. Wie soll damit umgegangen werden? Soll abgewartet werden, ist ein Eingreifen von Nöten?
Persönliche Meinung: „20. Juli“ ist ein Drama in fünf Akten von Bernhard Schlink. Ausgangspunkt des Dramas ist ein Gedankenspiel: Wäre ein präventives Attentat auf Hitler im Jahr 1931 legitim gewesen? Diese Frage projizieren die auftretenden Figuren auf ihre Gegenwart, in der rechte Kräfte erstarken. Es entspinnt sich zwischen den Abiturienten eine Diskussion, die mehrere Aspekte berührt: Ab welchem Punkt ist ein Eingreifen in die Politik legitim/notwendig? Ist Gewalt moralisch vertretbar? Und wenn ja: Wie sollte diese aussehen? Wann verschwimmt die Grenze zwischen Nicht-Handeln und Mitschuld? Wie soll man mit dem Versagen der staatlichen Instanzen umgehen (dies wird am Beispiel des Lehrers exemplifiziert, der eine Liebesbeziehung mit einer Schülerin des Kurses führt)? Freilich gibt das Drama auf diese Fragen keine eindeutigen Antworten: Es lädt aber zu einem Gedankenspiel, zu einer Reflexion auf einer Meta-Ebene ein. Dies gelingt, indem die fünf auftretenden Abiturienten (qua ihrer Berufswünsche) unterschiedliche Sichtweisen repräsentieren: So werden die oben genannten Fragen aus juristischer, historischer, journalistischer, medizinischer und ingenieurwissenschaftlicher Perspektive beleuchtet. Zusätzlich tritt noch die Figur des „Alten“ auf, der die Perspektive der Großelterngeneration einbringt. Der Schreibstil von Schlink ist gehoben, was nur bedingt den Sprechgewohnheiten heutiger Jugendlicher/jungen Erwachsenen entspricht. Teilweise wirken die Sätze daher gestelzt. Dennoch ist „20. Juli“ insgesamt ein außergewöhnliches Drama, das zu Gedankenspielen einlädt.