Eines Tages wird die Familie Lewin von der Gestapo aus ihrer Wohnung geholt. An der Sammelstelle werden sie von einander getrennt. Sohn Dagobert darf zurück in die Wohnung, seine Eltern werden deportiert. Mit knapp neunzehn Jahren muss er von nun an als Zwangsarbeiter in einer Waffenfabrik arbeiten. Als die alleinerziehende Krankenschwester Ilse ihn bittet, sie zu heiraten, um so der Deportation lediger Schwestern zu entgehen, stimmt er zu. Doch es dauert nicht lange und die „Fabrikaktion“ findet statt. Bei dieser werden jüdische Arbeiter an ihren Arbeitsplätzen zur Deportation festgenommen. Dago, der sich gerade auf dem Weg zur Waffenfabrik befindet, wird jedoch von einem befreundeten „arischen“ Kollegen gewarnt. Dem jungen Mann ist klar, dass er sofort verhaftet werden würde, wenn ihn die Gestapo findet. Da er auch für Ilse und ihren Sohn Klaus verantwortlich ist, muss er einen Weg finden, dass alle drei in Berlin untertauchen können. Kein leichtes Unterfangen...
Bert Levyn erzählt von seinem illegalen Leben im Berlin der Nazizeit. Manche Geschehnisse wirken fast wie aus einem Schelmenroman und sind geradezu aberwitzig, dennoch sind sie passiert. Nicht wenige Male grenzt es an ein Wunder, dass er überhaupt überlebt hat. All das wird dem Leser verständlich, detailliert und emotional nahegebracht, ohne ins Sentimentale abzudriften. Einerseits ist der Sprachstil nüchtern, andererseits werden die Sehnsucht nach den Eltern, Dagoberts Überlebenswille und seine Motivationen deutlich. Auch die Helfer werden bildhaft und eindrücklich beschrieben. Verklärt wird niemand, aber auch nicht dämonisiert.
Ebenso wird vom Kriegsende, Lewins Emigration in die USA (wo er sich in Bert Lewyn umbenannte) und dem Verbleib seiner Familie berichtet. Es ist interessant zu erfahren, wie Dagobert sein Leben weiterhin gestaltete. Wie stark die Opfer die Zeit der NS-Verfolgung häufig verdrängt haben, zeigt der Umstand, dass Ilse völlig aus Dagoberts Erinnerungen verschwunden war. Erst eine Archivanfrage im Zuge der Buchrecherche brachte die Heiratsurkunde und damit die Erkenntnis, überhaupt verheiratet gewesen zu sein. Leider bleiben andere Fragen ungeklärt, so z.B. die mangelnde Bereitschaft von Ilse und Klaus Kontakt mit Dagobert aufzunehmen. Aber das Leben hält nun einmal nicht auf alle Fragen Antworten bereit.
Obwohl Lewyn naturgemäß in der Rückschau berichtet, nimmt er die Perspektive seines jugendlichen Ichs ein. Dies verstärkt beim Leser das Gefühl der Unmittelbarkeit. Allerdings stehen die Abschnitte, in denen die nationalsozialistische Politik oder die Ausmaße des Holocaust thematisiert werden, diesem Eindruck etwas entgegen. Hier werden Fakten eingeflochten, die Dagobert zum Zeitpunkt seiner Flucht nicht kennen konnte. Es ist nicht zu kritisieren, wenn das Geschehen in größere Zusammenhänge gestellt wird. Allerdings handelt es sich um allgemeine Fakten, die heutzutage relativ bekannt sein sollten. Dadurch entsteht der Eindruck, der Bericht richte sich an Schüler. Tatsächlich erschien er ursprünglich in den USA und musste wohl tatsächlich einen anderen Kenntnisstand seiner Leserschaft zugrundelegen als es vermutlich heute bei deutschen Lesern der Fall sein dürfte.
Insgesamt überzeugt Versteckt in Berlin durch sehr persönliche und spannende Einblicke in eine lebensbedrohliche Zeit, die Bert Lewyn glücklicherweise überlebte.
Lesenswerte Erinnerungen an Verfolgung und Menschlichkeit