Rezension zu "Westwärts mit der Nacht (Exotica-Schicksale in der Ferne)" von Beryl Markham
Hintergrund:
Beryl Markham (1902 - 1986) war eine englisch-kenianische Flugpionierin. Nach einer freien Jugend auf der afrikanischen Farm ihres Vaters machte sie sich erst als Rennpferde-Trainerin, dann als Buschpilotin einen Namen. Als erster Mensch überflog sie 1936 den Atlantik in west-ost-Richtung.
Auch ihr Privatleben scheint recht turbulent gewesen zu sein: Wikipedia listet 3 (geschiedene) Ehen und mehrere Affären mit zum Teil recht berühmten Männern.
Markham veröffentlichte ihre Memoiren 1942, aber erst 40 Jahre später - nachdem eine Fernsehdokumentation über die Autorin ausgestrahlt worden war - erlangte das Buch höhere Bekanntheit.
Das Buch:
Der Begriff "Memoiren" trifft in diesem Fall viel besser zu als "Autobiografie". Für letzteres ist der Text zu unvollständig - große Teile ihres Lebens (vor allem ihres Privatlebens) verschweigt die Autorin vollkommen. Manchmal so sehr, dass es fast an Flunkerei grenzt.
Markantestes Beispiel: als Beryl 17 ist, verlässt ihr Vater Afrika und lässt seine Tochter alleine zurück, die sich von nun an alleine durchschlagen muss ... So liest man - und wundert sich. Reitet die junge Frau wirklich und wahrhaftig ohne Begleitung mehrere hundert Kilometer durch das unendliche Afrika zu ihrem ersten Job hin? Mitnichten! Ein bisschen Internet-Recherche verrät, dass sie damals verheiratet war! Bestimmt ist sie mit ihrem Mann und mehreren afrikanischen Dienern unterwegs gewesen. Vielleicht hat sie sich so einsam gefühlt wie sie schreibt, aber ganz alleine war sie ziemlich sicher nicht unterwegs.
Das ist nicht als Kritik zu verstehen, denn es geht in diesem Buch ganz offensichtlich nicht um Beryl Markham selbst, sondern um ihre Liebe zu Afrika, zum Fliegen und zu ihren Tieren (genau in dieser Reihenfolge).
In loser Reihenfolge prästentiert sie uns ihre Erinnerungen: wie sie als Kind mit den einheimischen Kikuyos auf die Jagd gehen darf, wie sie einmal von einem Löwen gebissen wurde; Begegnungen mit Tieren und Menschen, Pferderennen, dramatische Flugstunden und die Alltagsroutine ostafrikanischer Buschpiloten. Und über allem und hinter allem: AFRIKA, ihre Heimat und große Liebe.
Textbeispiel:
"Ganz vorn, wie ein Keil an der Spitze einer riesigen Herde, flohen Schwarzfersenantilopen, Weißschwanzgnus und Zebras vor dem Schatten meiner Maschine. Ich kreiste, nahm Fahrt weg und verlor Höhe, bis mein Propeller in den Ausläufern der Staubwolke rotierte und Sandpartikel in meiner Nase zu brennen begannen.
Während die Herde sich voranbewegte, wurde sie für meinen Blick eine Art Teppich aus Rostbraun und Grau und stumpfem Rot. Sie glich weder einer Vieh- noch einer Schafherde, weil sie wild war und das Merkmal der Wildnis mit sich trug: der Freiheit eines Landes, das noch immer weit eher ein Besitz der Natur als der Menschen Ist. Zehntausend Tiere sehen, die ungezähmt sind und nicht gebrandmarkt mit den Symbolen menschlichen Krämergeistes, das ist wie die Besteigung eines unbezwungenen Berges oder wie die Entdeckung eines Waldes ohne Straßen und Wege und ohne die Narben einer Axt. Dann begreift man erst richtig, was man schon so oft gehört hat - daß die Welt einst lebte und wuchs ohne Rechenmaschinen und Zeitungen, ohne asphaltierte Straßen und die Tyrannei der Uhren."
Mein Lese-Erlebnis:
Die "Pferde-Kapitel" waren mir etwas zu schwülstig geschrieben und haben mir weniger gefallen, als die "Flieger-Kapitel". Die Selbstverständlichkeit mit der sie über die Landnahme der Weißen oder die Elfenbein-Jagd schreibt, ist für mich als moderne Leserin manchmal etwas schwer zu ertragen.
Aber nichtsdestotrotz ein schönes Buch, in dem die Liebe zu ihrer Heimat und zu ihrer Lebensweise auf jeder Seite mitschwingt.
Fazit: 4 Sterne. Lese-Empfehlung.