Bettina Bach

 4 Sterne bei 753 Bewertungen

Lebenslauf

Bettina Bach, 1965 in Heilbronn geboren, wuchs in Deutschland und Frankreich auf. Nach einer Ausbildung an der Pariser Verlagsfachschule studierte sie Germanistik in Berlin und Kulturwissenschaften in Amsterdam. Seit 2000 übersetzt sie Belletristik und Kinder- und Jugendbücher aus dem Niederländischen und Französischen. 2014 wurde sie dafür mit dem Else-Otten-Preis ausgezeichnet. Für Hanser hat sie u. a. Philippe Pozzo di Borgo, Tommy Wieringa, Jowi Schmitz, Toon Tellegen und Bart Moeyaert übersetzt. Bettina Bach lebt mit ihrer Familie in Jena.

Quelle: Verlag / vlb

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Neue Rezensionen zu Bettina Bach

Cover des Buches Nirwana (ISBN: 9783446281615)
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Rezension zu "Nirwana" von Tommy Wieringa

Lesebiene017
Hinter jedem großen Vermögen steckt ein großes Verbrechen

Ein weiteres Buch über NS-Verbrechen? Über einen Enkel, der seinem hinfälligen hundertjährigen Großvater nachspürt, dessen Tagebücher auswertet und aus der sicheren Entfernung des Nachgeborenen ein moralisches Urteil fällt? Ja. – Und doch auch nicht.

Tommy Wieringa erzählt die Geschichte eines Offshore-Firmenimperiums über drei Generationen aus der Perspektive des Enkels Hugo Adema, dessen Zwillingsbruder Willem jun. heute, im Jahr 2016, die Firmengeschicke leitet. Hugo hadert aus verschiedenen Gründen mit seiner Herkunftsfamilie, hat sich aber nie von ihr losgesagt. Seine große Liebe Lois hat ihn nach Jahren des Zusammenlebens verlassen und dieses Aus führt den Kunstmaler in eine massive Schaffenskrise. In dieser Situation wird er von Autor Tommy Wieringa (!) aufgesucht, der ihm interessante Quellen über Willem Adema sen. eröffnet und Hugo über Umwege Zugang zu dessen entlarvenden Tagebüchern verschafft. Diese schockieren und zeigen die Skrupellosigkeit, Menschenverachtung und Brutalität des nationalsozialistischen Systems drastisch. (Die Vermutung liegt nahe, dass dem Roman reale Quellen zugrunde liegen.) Hugo taucht intensiv in die Geschichte des Großvaters ein, deckt Geheimnisse und Lügen auf. Es dauert, bis es ihm gelingt, in seiner Kunst ein Ventil für seine Gefühle zu finden.

Parallel dazu prosperiert das Familienunternehmen unter der Leitung von Bruder Willem. Hugo verachtet dessen Geschäfte mit fossilen Brennstoffen, die den Weg in die Klimakrise verschärfen. „Die Offshore-Industrie folgt der Weltkonjunktur, die Weltkonjunktur folgt dem Preis und der Verfügbarkeit von Öl und Gas – ein feuriger Tango.“ (S. 13) Bevölkerungsexplosion, Umweltzerstörung, Wachstumsdoktrin und nicht zuletzt Trumps dilettantische Politik steigern Hugos Weltschmerz. Buddhismus und Meditation bieten ihm Ausgleich, eine neue Beziehung lenkt ihn vom Liebesschmerz um Lois ab. Dem Leser eröffnen sich weitere Perspektiven, die das Frauenbild der verschiedenen Adema-Männer beleuchten. Auch Hugo ist kein durchgängiger Sympathieträger, sondern neigt zu Moralismus und Selbstgefälligkeit. Der Leser ist gefordert, ein differenziertes Urteil über die einzelnen Figuren abzugeben und Position zu beziehen. Zwillingsbruder Willem erscheint als ideologischer Gegenentwurf zu Hugo. Die Brüder entzweiten sich bereits in der Kindheit und fanden nicht wieder zusammen.

Tommy Wieringa gestaltet sein Personal außerordentlich vielschichtig und damit glaubwürdig. Er beleuchtet Graubereiche und die Schwachstellen in den einzelnen Biografien. Die meisten Frauen (nicht alle!) erlebt man gutmütig und duldsam, die Elterngeneration bleibt weitgehend im Hintergrund. Der Fokus liegt auf den beiden Willems sowie auf Hugo selbst, der sich zwar liebevoll um seine schwer behinderte Tante kümmert, ansonsten aber deutliche soziale Defizite aufweist, deren Ursachen zumindest teilweise in der Kindheit begründet liegen dürften.

Hugos innere Konflikte finden schließlich Ausdruck in seinen Werken. Anschaulich begleiten wir den künstlerischen Schaffensprozess von der Entstehung bis zur öffentlichen Ausstellung. Augenzwinkernde Kritik an der Schriftstellerei, die man auch auf diesen Roman übertragen kann, findet sich ebenfalls: „Wie armselig und parasitär die Literatur doch war, eine Kunstgattung, die sich aus dem Leben anderer bediente und so tat, als gäbe sie es unabänderlich verbessert zurück.“ (S. 175) Doch gilt dasselbe nicht auch für Hugos Kunst?

Der Autor verwebt die unterschiedlichen Themen sehr geschickt, so dass an keiner Stelle Langeweile aufkommt. Er verbindet die großen Probleme der Gegenwart mit den Verbrechen der Vergangenheit, die bereits mit den kolonialen Ambitionen der Niederlande begannen. Dadurch hagelt es Denkanstöße. Sprachlich überzeugt die kraftvolle, eloquente Erzählweise Wieringas, dessen Roman von Bettina Bach hervorragend ins Deutsche übertragen wurde. Zahlreiche bedeutungsvolle Sätze sowie die gelungene Gesamtkonzeption unterstreichen das schriftstellerische Können des Autors. Der Buchtitel „Nirwana“ erscheint in seiner Mehrdeutigkeit sehr passend, er lässt zudem Spielräume für eigene Auslegungen.

Gerne empfehle ich diesen vielschichtigen Generationen- und Künstlerroman, der auch deutschen Lesern neben einem fesselnden Lektüreerlebnis neue Perspektiven in Bezug auf die NS-Zeit in den Niederlanden eröffnen sollte.

Cover des Buches Ein Tag und ein ganzes Leben (ISBN: 9783985681068)
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Rezension zu "Ein Tag und ein ganzes Leben" von Sander Kollaard

ReadingWitch
Das Glück des Augenblicks im Leben

Rezension "Ein Tag und ein ganzes Leben"

"Das Herz schlägt [...] und das Blut pumpt" sind Henks erste Gedanken beim Aufwachen an diesem Samstagmorgen. Nach und nach kommen andere Gedanken dazu, die unseren Protagonisten aus dem Schlaf in die Gegenwart holen. Und schon beginnt der Tag...

Mit diesem Anfang ist der Leser sofort mitten in dem neuen Roman "Ein Tag und ein ganzes Leben" von Sander Kollaard. Er handelt von dem Intensivpfleger Henk und seinem Hund Schurk und von den Erwartungen, die man ans Leben hat im Allgemeinen. Henk ist Mitte 50, geschieden und hat keine Kinder. Schurk ist sein einziger Begleiter und sein bester Freund. An diesem Tag muss Henk feststellen, dass Schurk ein schwaches Herz hat und bald sterben wird. Henk wird in diesem Zusammenhang auch seine eigene Endlichkeit bewusst. Und er fragt sich, ob er der Mensch wurde, der er sein wollte.

Wir begleiten unseren Protagonisten einen ganzen Tag lang und erfahren viel über seine Vergangenheit, seine Familie, seine Gedankenwelt und seine Sehnsüchte. Der Roman beginnt ganz banal damit, dass Henk aufwacht, frühstückt und anschließend mit seinem Hund Gassi geht. Doch während der Autor das schildert, schiebt er immer wieder Henks abschweifende Gedanken ein. So vernehmen wir, dass er kontroverse Dialoge mir einer Kollegin im Kopf immer wieder durchläuft und ihm dabei immer bessere Erwiderungen einfallen, als beim tatsächlichen Gespräch. Solch eine Situation hat sicher jeder bereits erlebt. Beim Spaziergang mit dem Hund lernt er eine Frau kennen, die zuerst nicht sein Typ zu sein schein, ihn aber doch beschäftigt. Auch da werden seine Gedanken synchron zur Situation ausgedrückt. So zieht Henk mit seinen Überlegungen und philosophischen Betrachtungen durch den Tag, dabei führt er alltägliche Dinge aus, und doch erscheinen sie im größeren Kontext als etwas Besonderes. Zum Beispiel beruht der Besuch einer ehemaligen Kollegin im Altersheim nicht nur auf alter Freundschaft, sondern auch auf einer leidenschaftlichen Affäre, welche die beiden Mal verband. Oder auch der obligatorische Geburtstagsanruf bei der 17 - jährigen Nichte, der zuerst als eine Last erscheint, später eine rührende Freundschaft zwischen Onkel und Nichte offenbart.

Insgesamt ist Henk eine Person voller Widersprüche. Er gesteht sich ehrlich seine Schwächen ein und ist sich dieser auch bewusst. So möchte er mit sich im Reinen sein und doch kritisiert er immer wieder seine Unzulänglichkeiten. Er schämt sich, dafür, dass er wegen seiner Vorliebe für Käse leichtes Übergewicht hat und verachtet sich für seine Inkonsequenz. Versucht sich im nächsten Schritt trotzdem zu akzeptieren. Damit wirkt er auf mich sehr menschlich und authentisch. Wahrscheinlich durchlaufen wir alle diesen inneren Kampf, in dem das fragile Selbstwertgefühl dem inneren Kritiker zum Opfer fällt.

Das alles verfasst Kollaard in einem ruhigen und unaufgeregten Schreibstill. Deutlich schildert er Wünsche und Sorgen des Hauptcharakters. Bringt die intimsten und provokantesten Gedanken zum Ausdruck, und bleibt dabei in seiner Wortwahl friedlich und voller Hoffnung. Schonungslos entblößt er Henks Schwächen vor dem Leser und lässt ihn dabei trotz seiner unbeholfenen Art sympathisch erscheinen. Er beschreibt den banalen Alltag, der auf die Überraschungen des Lebens trieft. Die Geschichte handelt von dem gewöhnlichen Glück.

Zum Schluss wird Henk aus der Sicht einer anderen Person betrachtet und der Leser stellt fest, dass dieser Person seine Fehler nicht auffallen und wenn doch, diese nicht als negativ ausgelegt werden. Auf diese Weise zeigt der Autor, dass wir uns selbst kritisch betrachten, als die Menschen um uns herum. Es ist vielleicht keine neue Erkenntnis, aber doch eine sehr wertvolle.

Von mir gibt es für diesen Roman eine absolute Leseempfehlung. Er handelt von einem Menschen voller Widersprüche und ist damit sehr nah an der Realität. Es ist nicht immer alles schwarz und weiß, dazwischen gibt es noch sehr vieles zu entdecken. Dieses vielschichtige Buch vermittelt Trost und Hoffnung und lässt einen mit einem positiven Gefühl zurück.

https://www.readingwitch.com/post/ein-tag-und-ein-ganzes-leben


Cover des Buches Der Tod der Kitty Genovese (ISBN: 9783716026601)
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Rezension zu "Der Tod der Kitty Genovese" von Didier Decoin

Wortklauber
Genovese-Syndrom

Am 13. März 1964 wird im New Yorker Stadtteil Queens die 30-jährige Catherine „Kitty“ Genovese überfallen, vergewaltigt und durch Messerstiche getötet. Der Täter, Winston Moseley, Büroangestellter, verheiratet, Vater zweier Kinder, kein Ersttäter, wird wenige Tage darauf festgenommen. Ein misstrauischer Nachbarn hatte die Polizei verständigt, der den schwarzen Mann dabei beobachtet hatte, wie der einen Fernseher aus einem Haus schaffte.

Der traurige Fall erlangte wenig später Berühmtheit, mündete sogar in der Benennung als Genovese-Syndrom oder Bystander-Effekts, weil - angeblich - 38 Nachbarn Zeugen des Überfalls auf die junge Frau gewesen sein sollten und es fast alle nicht oder erst zu spät für nötig befunden haben sollten, die Polizei zu informieren oder gar der Frau direkt beizustehen.

Warum? Aus Angst um die eigene Person? Weil keiner sich in eine vermutete Auseinandersetzung unter einander Bekannten einmischen wollte? Man darauf vertraute, dass bestimmt andere aktiv werden würden?

Basierend auf diesem tatsächlich passierten Mord hat der französische Autor Didier Decoin den im Original 2009 (2011 auf deutsch) veröffentlichten Roman „Der Tod der Kitty Genovese“ geschrieben.

Erzähler ist ein Mann, der seinerzeit mit seiner Frau im Haus gegenüber von Kitty Genovese gewohnt hat (später zieht er weg, und zwar in die Nähe eines guten Angelgewässers). Noch in Queens, schreibt er eigentlich einen Roman übers Angeln.

Das gut situierte, intellektuelle Paar (sie ist Übersetzerin) war in der betreffenden Nacht nicht zu Hause, wird aber dennoch in den Fall hineingezogen, als sie der Journalist aufsucht, der Wochen später, als längst andere Themen die Gazetten bestimmen, den Artikel veröffentlichen wird, der die Gewalttat gegen Kitty Genovese erst richtig bekannt macht.

Der Roman ist teils berichtend nüchtern erzählt, teils aber auch durchaus opulent, zum Beispiel da, wo in einem Satz über 10 Zeilen von Jack Kerouac die Rede ist, der im selben Viertel wie der Täter gewohnt und „unzählige Versionen von Unterwegs“ überarbeitet hatte. Kerouac hatte nichts mit dem Fall zu tun, es tut auch „eigentlich“ nichts zur Sache, wer er ist und woran er gearbeitet hat - und doch ist er Teil dieses Umfelds und der Zeit und bereichert das Setting dieses Romans (dem man zudem mit gut 150 Seiten nicht gerade den Vorwurf der Geschwätzigkeit machen kann).

Ich hatte Schwierigkeiten, in den Roman hineinzukommen, weil er durch die nüchternen, zum Teil, wie es scheint, rein zitierenden Passagen auch nicht allzu gefällig aufgebaut ist. Als diese anfänglichen Schwierigkeiten mit der Montage aber erst einmal überwunden waren, habe ich den Roman gerne gelesen. Der Erzähler, auch wenn sein Interesse „eigentlich“ bei Fischen liegen mag, scheut sich nicht, in die handelnden Charaktere zu schlüpfen, einschließlich der des Opfers und des Täters. Das kann heikel sein, gelingt ihm (und damit Decoin) aber geradezu beklemmend gut.

Eine Szene, die ich geradezu für ein Musterbeispiel von „Show don’t tell“ halte: Das Paar überlegt, ob sie Genovese vielleicht in einer Vorführung zweier Kurzfilme (Jean Genet und Andy Warhol) gesehen haben könnten, die sie letztendlich in Handschellen verlassen mussten, da diese Filme ihres Inhalts wegen ganz offensichtlich gegen herrschende Moral verstießen. Dieses und andere Details bewirken, dass man dem Roman sofort sowohl den Ort als auch die Zeit abnimmt: So muss es gewesen sein, das New York der 1960-er Jahre.

Für einen Krimi halte ich den Roman nicht, geschweige denn ein nacherzähltes Stück True Crime. Er enthält allerdings Passagen, die gerade wegen der offenen, reflektierten, kaltblütigen Art des Täters und des Vermögens des Autors, aus seiner (angeblichen) Sicht zu erzählen, mitunter schwer erträglich sind.

Heute weiß man: Kaum etwas ist vollständig so, wie es zunächst behauptet wird. (Dass der Täter ausgerechnet durch einen vermuteten Einbruch einem Nachbarn auffiel (wenn es um Eigentum geht, passt immer einer auf, wenn eine Frau um ihr Leben kämpft, eher nicht?!), ist ein Detail, das man einem Autor eines fiktiven Romans wahrscheinlich nicht abnehmen würde.) 38 Augenzeugen des Mordes an sich waren es nicht, wohl aber etliche Augen- und Ohrenzeugen des ersten Angriffs. Und davon verließen sich die meisten auf andere, die an ihrer Stelle handeln sollten (während andere Schwierigkeiten hatten, einen Notruf schnell genug abzusetzen; die zentrale Nummer 911 wurde erst nach dem Mord an Kitty Genovese eingerichtet). Auch zeigt der Roman, dass Verkehrungen der Tatsachen mitunter länger im kollektiven Gedächtnis bleiben als deren wahrer Kern.

Der Franzose Didier Decoin ist Jahrgang 1945 und hat 1977 den Prix Goncourt für einen Roman namens „John l’enfer“ („Das Fenster zur Hölle“) erhalten, der ebenfalls in New York spielt. Er kommt aus dem Journalismus und hat neben Romanen auch Drehbücher geschrieben. 

Gespräche aus der Community

Eine zauberhafte Liebesgeschichte mit viel Gefühl und ganz ohne Kitsch, wunderschön geschrieben und illustriert.

Wenn ihr auch in "Ein Meer von Liebe" eintauchen wollte,  beantwortet bis 23. November 2022 unsere Bewerbungsfrage und gewinnt eins von 20 Printexemplaren.

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Letzter Beitrag von  Katyleh

Vielen Dank, dass wir mitlesen durften. Wir sind total begeistert. Hier meine Rezension:

https://www.lovelybooks.de/autor/Pieter-Gaudesaboos/Ein-Meer-von-Liebe-6186768676-w/rezension/8141609864/

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