Cover des Buches Der Henker von Lemgo (ISBN: 9783961481866)
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Rezension zu Der Henker von Lemgo von Bettina Szrama

Die letzte Hexe von Lemgo

von annlu vor 6 Jahren

Kurzmeinung: selten hat es ein historischer Roman geschafft eine so authentische Stimmung hervorzurufen

Rezension

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annluvor 6 Jahren

„Für den Pöbel und den Rat seid ihr eine Hexe, diesen Makel kann auch der Herr nicht von Euch nehmen.“


Lemgo im 17. Jhd: Maria, die Tochter des Braumeisters Rampendahl, gerät schon als Kind in den Verdacht eine Hexe zu sein. Diesem Gerücht kann sie auch später nicht entgehen. Als sie sich gegen ihre Nachbarn stellt, wird der Vorwurf wieder laut. Die mutige junge Frau aber lässt sich nicht so leicht einschüchtern. Da sie als sehr schön gilt, zeigen so manche Männer Interesse an ihr – auch der machtgierige Cothmann, der sich in ihrer Gegenwart kaum zügeln kann. Auch so manch anderer neidet ihr ihr Leben und bringt immer wieder den Hexenvorwurf gegen sie auf.



Die Geschichte beginnt mit einer sehr jungen Maria und der Hinrichtung ihres Schulmeisters. Bereits in diesen Szenen wird deutlich, dass die Anklagen und Hexenverfolgungen nicht nur auf einen irregeleiteten Glauben basieren, sondern viel weltlichere Gründe dahinter stecken. Während Maria sich hier noch ihre kindliche Naivität erhalten hat – und in dieser auch ihre Schwärmereien für den Henker gründen – zeigt sich dem Leser bereits ein weniger positives Bild der Lemgoer Bevölkerung.


Der nächste Teil der Geschichte spielt elf Jahre später. Schon der einführende Teil brachte Menschen mit sich, die mir aus heutiger Sicht grausam und wenig kontrolliert erschienen. Hier kam nun hinzu, dass Maria nicht mehr nur unterschwelliger oder auch offener Gewalt ausgesetzt ist, sondern diese auch einen sexuellen Charakter bekam. Nicht nur der Umgangston und die derbe Sprache, die die Menschen untereinander nutzen hatte einen Charakter an sich, der es mir nicht immer leicht gemacht hat, die Geschichte zu lesen. Auch das Verhalten der Menschen hatte in meinen Augen einen zügellosen Charakter. So sind viele ständig betrunken, die Männer versuchen sich die Frauen zu nehmen, wie sie gerade Lust haben und bei den kleinsten Beleidigungen folgt Gewalt.


Beeindruckend fand ich die vielen Recherchen, die hinter der Geschichte stecken. So basieren nicht nur die Namen auf die Wirklichkeit. Allerdings hat das auch bewirkt, dass sich das Buch von anderen historischen Romanen unterscheidet, in dem es eben nicht auf eine Anpassung an die heutige Zeit (z.B. bei den herrschenden Moralvorstellungen) eingeht.


Dadurch, dass das Thema Hexenverfolgung beherrschend ist, haben auch Gott und der Teufel einen großen Anteil am Buch. Obwohl der Henker der Namensgeber der Geschichte ist, taucht er nur ab und zu auf. Im Mittelpunkt der Erzählung steht Maria, die als letzte Hexe in Lemgo prozessiert wurde. Das Buch zeigt ihre Geschichte, in dem es Szenen aus ihrem Leben (und all jener, die darin eine Rolle spielen) beschreibt. Manchmal waren die Sprünge zwischen diesen etwas abrupt und beinhalteten auch zeitliche Sprünge. Dennoch entstand im Ganzen ein gutes Bild, das ihr Leben in Lemgo bis zum besagten Hexenprozess erzählt.


Fazit: Der Einstieg ins Buch ist mir nicht leicht gefallen, da ich mich erst an den Erzählstil aber auch an die mitunter derben Szenen gewöhnen musste. Danach empfand ich die Geschichte aber als erfrischend anders. Selten hat es ein historischer Roman geschafft eine so authentische Stimmung hervorzurufen und mich in die besagte Zeit mit all ihrer Andersartigkeit zu entführen.

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