Bettina Wilpert

 4,4 Sterne bei 67 Bewertungen
Autor*in von nichts, was uns passiert, Nichts, was uns passiert und weiteren Büchern.

Lebenslauf

Bettina Wilpert, geboren 1989, studierte Kulturwissenschaft, Anglistik und Literarisches Schreiben in Potsdam, Berlin und Leipzig, wo sie heute lebt. Sie war Finalistin des Open Mike, Stipendiatin des Klagenfurter Literaturkurses, Artist in Residence auf dem PROSANOVA und Stipendiatin der Autorenwerkstatt Prosa des Literarischen Colloquiums Berlin. Für ihr Debüt »nichts, was uns passiert« wurde sie vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem ZDF-aspekte-Literaturpreis, dem Förderpreis zum Lessing-Preis und dem Melusine-Huss-Preis.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Bettina Wilpert

Cover des Buches nichts, was uns passiert (ISBN: 9783957323071)

nichts, was uns passiert

 (42)
Erschienen am 06.02.2018
Cover des Buches Nichts, was uns passiert (ISBN: 9783442718900)

Nichts, was uns passiert

 (14)
Erschienen am 14.10.2019
Cover des Buches Herumtreiberinnen (ISBN: 9783957325136)

Herumtreiberinnen

 (11)
Erschienen am 08.03.2022

Neue Rezensionen zu Bettina Wilpert

Cover des Buches nichts, was uns passiert (ISBN: 9783957323071)
Koreanders avatar

Rezension zu "nichts, was uns passiert" von Bettina Wilpert

Wilpert meistert das schwierige Thema und führt mit leichter Sprache in herausfordernde Gedankengänge ein.
Koreandervor 2 Monaten

Es ist Sommer. Es ist Fußball-WM. Überall wird ausgelassen gefeiert. Besonders im universitären Umfeld wird die vorlesungsfreie Zeit ausgelassen genutzt. Es gibt reichlich Alkohol. Die Leute haben Spaß. Es wird geflirtet, es gibt Trinkspiele, Deutschland wird Weltmeister und Anna wird vergewaltigt.

Bettina Wilperts Debütroman aus dem Verbrecher Verlag kommt gerade rechtzeitig zur #metoo Debatte. Und so liest man das Buch unwillkürlich als Debattenbeitrag, der als Roman daherkommt. Oder ist es ein Roman, der einen Debattenbeitrag liefert? Unzweifelhaft ist es ein Roman wider die Verflachung und Banalisierung des Diskurses. Während die Herrschaften darüber diskutieren, dass man ja nun Frauen keine Komplimente mehr machen dürfe, legt Wilperts den Finger zurück in die Wunde. Mehr noch, es ist ein Debüt, dass sich nicht scheut, Salz in die Wunden der ach so aufgeklärten und emanzipierten Gesellschaft zu streuen. Was bedeutet es für eine Frau vergewaltigt worden zu sein? Wilpert nimmt sich alle Vorurteile, Ressentiments und Stereotype vor und verarbeitet sie literarisch. Dabei verortet sie die Protagonisten in einem vermeintlich liberaleren und empathischeren universitären Umfeld.

Damit nicht genug, handelt es sich auch noch um eine linke Szene im Umfeld des Leipziger Stadtteils Connewitz, der seit dem Überfall von über 200 Rechtsradikalen im Januar 2016, traurige bundesweite Berühmtheit erlangte. Und selbst in dieser Peergroup, die sich herrschaftskritisch und damit auch feministisch-emanzipatorisch geriert, laufen die brutalen gesellschaftlichen Mechanismen ab.

Nichts, womit man umgehen kann

Wurde Anna überhaupt vergewaltigt? War es nicht viel eher einvernehmlicher Geschlechtsverkehr, wie Jonas aussagt? Ist Anna nicht eh ziemlich schnell ins Bett zu bekommen? Außerdem betrinkt die sich doch auf allen Partys. Kann die sich überhaupt richtig erinnern? Kann man Anna glauben? Jonas ist so ein sensibler, netter Typ. Der, ein Vergewaltiger? Kann das sein? Und überhaupt, ist nicht der Alkohol Schuld?

So wenig wie es irgendjemand außer den Beteiligten wissen kann, was wirklich passiert ist, so wenig wissen auch die Leser*innen. Wilpert spielt und reizt mit dem Unwissen, dem unguten Gefühl, der Ambivalenz. Opferschutz muss vor Täterschutz gehen. Aber reicht bereits die Anklage oder bedarf es eines richterlichen Beweises? Wie positioniert man sich, wenn man überhaupt nicht weiß, was passiert ist. Vergewaltigung ist solange ein theoretisches Problem, bis es in den Freundeskreis einbricht. Denn ansonsten gilt, wie es so häufig bei emotional anstrengenden Themen gilt: Es passiert anderen Leuten. Es ist nichts, was uns passiert.

Bettina Wilpert legt ein schwermütiges Debüt vor. Es ist ein wichtiges Debüt. Ein Roman über den man diskutieren kann und muss. Hier wird das Versprechen eingelöst, dass Literatur nicht lediglich Unterhaltung ist, sondern tief bewegen kann und damit versucht Veränderungen anzustoßen. Es ist zugleich eine einfühlsame Beschreibung der erschütternden Gefühlswelt Betroffener. Die Demütigung, der Selbsthass, die alles zerfressende Scham. Und immer wieder die Umkehrung der Schuld, das Victim Blaming, der Psychoterror der die Opfer in die Isolation und die Selbstzerstörung treibt.


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Cover des Buches Herumtreiberinnen (ISBN: 9783957325136)
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Rezension zu "Herumtreiberinnen" von Bettina Wilpert

3 Frauen zu unterschiedlicher Zeit am selben Ort
Hellena92vor einem Jahr

Herumtreiberinnen ist ein einzigartiger Roman, der von drei Frauen handelt. die eine befindet sich  1944 die andere 1983 und die andere 2016 in der Tripper Burg in Leipzig.

Die jeweiligen Frauen befinden sich jeweils in politisch misslichen Lagen, und der Roman handelt somit davon, wie die jeweilige Frau zur Tripperburg gelangt und dort ihre Geschichte fortsetzt. 

Die Autorin schafft ein einzigartiges Ambiente durch ihren einzigartigen und innovativen Schreibstil. Erst musste ich mich daran gewöhnen, doch im Laufe des Lesens wurde es flüssiger.
Ich muss gestehen, dass ich den Roman in einem Stück am Ende durchgelesen habe, weil die Geschichte zwar zunächst sehr langsam, beginnt aber im Laufe immer rasanter und die Geschichten der jeweiligen Protagonisten Anfahrt aufnimmt. Ich kann diesen Roman jedem empfehlen, der Interesse an einem Roman hat, der das Leben von Frauen zu unterschiedlichen Zeiten beleuchtet und aufzeigt, wie schwierig es war, wie wenig Mitspracherecht vorhanden war wie einfach. Es war, Frauen einfach weg zu sperren und wie unfair das Leben im Jahre 19,44 und 1983 war. Die Autoren zeigt sehr unverblümt, dass Frauen sowohl schlecht behandelt wurden, als auch jegliches im Recht abgesprochen wurde. Ich bin total begeistert von diesen Roman und habe ihn von der Büchergilde zu Gutenberg erhalten, die Aufmachung fand ich besonders toll und ich würde ihn jedem ans Herz legen. Fünf Sterne von mir

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Cover des Buches Herumtreiberinnen (ISBN: 9783957325136)
KataRafs avatar

Rezension zu "Herumtreiberinnen" von Bettina Wilpert

Herumtreiberinnen
KataRafvor einem Jahr

Herumtreiberinnen verhandelt die Situation an den Rand gedrängter Frauen im Osten Deutschlands.

Den Mittelpunkt bildet die 17jährige Manja in den 80er Jahren. Sie lernt die freigeistige Maxi kennen, trampt mit ihr und geht mit dem mosambikanischen Vertragsarbeiter Manuel eine Beziehung ein. Sie landet in der Lerchenstraße, jenem Ort, der die verschiedenen Zeitebenen des Romans zusammenführt.

In der DDR befindet sich in der Lerchenstraße eine geschlossene venerologische Station für "Herumtreiberinnen". Manja wird dort festgehalten, wird immer wieder gynäkologisch untersucht. Sie wird der brutalen "Erziehung" zugeführt, wieder ein brauchbares Mitglied der sozialistischen Gesellschaft zu werden.

Zu Zeiten des Nationalsozialismus ist in der Lerchenstraße ein Übergangslager für Zwangsarbeiter:innen, Juden und Jüdinnen, Sinti und Roma und "Asoziale". Hier landet Lilu, das Kind eines "Roten" und erfährt wie Manja Freiheitsentzug und Gewalt.

In den 2000ern ist in der Lerchenstraße ein Wohnheim für Geflüchtete. Ronja ist Sozialarbeiterin und bemüht sich um gute Bedingungen für die Bewohner:innen, was nur begrenzt gelingen kann. Sie stößt auf alte Akten und beschäftigt sich mit der Vergangenheit des Hauses.

Die zeitlichen Ebenen sind miteinander verwoben, alle drei Frauen sind ähnlich alt, ähnlich klug, ähnlich suchend. Es verschränken sich individuelle Geschichten mit der Zeitgeschichte, denn, wie es für sie ausgeht, ist im Kontext der Verhältnisse zu sehen.

An der einen oder anderen Stelle stolperte ich über den Aufbau und einiges blieb für mich nicht ganz rund. Dennoch empfehle ich Herumtreiberinnen, sogar sehr, denn es leistet wichtige Aufklärungsarbeit zu deutscher Geschichte und Gegenwart, zu Gewalt und Ausgrenzung in ihrer Kontinuität, nicht nur örtlich und es macht nachdenklich.

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