Berlin hat ihr kein Glück gebracht und deswegen kehrt Adele Spitzeder 1868 nach München zurück. Ein paar Gulden sind ihr geblieben und davon muss sie ihr Quartier bezahlen. Der Pfandleiher ist ein Spitzklicker und gibt ihr nur ein Minium dessen, was ihr Schmuck wert ist. Aus der Not macht Adele eine Tugend, denn ihr kommt eine geniale Idee: Sie leiht sich Geld, verspicht aber eine weitaus höhere Zinsauszahlung, als es bei den örtlichen Banken und Sparkassen üblich ist. Die Rückzahlung finanziert sie aus den eingezahlten Geldern ihrer neuen Anleger. Ihr Geschäftsmodell blüht und Adele wird zu einer reichen Frau. Doch wie lange wird das gut gehen, denn Adele macht sich Feinde in Banken und Behörden....
Bhavya Heubisch widmet sich in ihrem Roman "Das süße Gift des Geldes" einer der wohl schillerndsten und skandalträchtigsten Frauenfiguren Ende des 19. Jahrhunderts und erweckt die Schauspielerin Adele Spitzeder wieder zum Leben. Aber nicht nur ihre Schlüsselfigur stellt sie plastisch dar, auch München zur damaligen Zeit wächst aus den Seiten des Romans und man steht inmitten von schäbigen Straßenzügen mit ärmlichen Unterkünften, wandelt auf mit Unrat übersäten Straßen und spürt den quälenden Hunger, der wegen überteuerter Lebensmittel nicht zu stillen ist.
Anfangs wird Adele noch gemieden, aber schon bald sieht sie mit den ersten "Erfolgen" ihrer Geschäftsidee, dass der Mensch käuflich ist und die Gier nach immer mehr Geld lässt die Anleger regelrecht zu Adele strömen wie die Motten zum Licht. Es bilden sich Menschentrauben, um ja etwas vom dem Stück Kuchen abzubekommen. Dass dabei nicht immer alles Gold ist was glänzt, muss Adele am eigenen Leib erfahren, denn Neider und Gauner fühlen sich ebenfalls angezogen von ihr wie ein Magnet. Allen voran Herbergsvermieter Jakob Kramer und sein verlogenes Weib Agnes, denn den beiden ist Adele ein Dorn im Auge und das lassen sie sie immer wieder spüren.
Die Autorin zeigt dem Leser die beiden Seiten der Medaille - auf der einen Seite will Adele immer mehr Geld und Macht, lässt es sich gut gehen und verwandelt sich von der verarmten Schauspieler hin zu einer reichen Frau, die vermeintlich die Fäden in den Händen hält. Sie kauft Häuser, Schmuck, goldene Kutschen und protzt nur so mit ihrem Reichtum, vergisst dabei aber, ordentlich Buch zu führen und verliert den Überblick. Auf der anderen Seite ist Adele die Wohltätigkeit in Personalunion, lässt Volksküchen errichten, organisiert Armenspeisungen und setzt sich für die (Schul-)Bildung von benachteiligten Menschen ein.
Gegensätzlicher kann ein Mensch nicht sein und so kommt, was kommen muss - Adele zieht sich immer mehr den Zorn der Münchner Bürger und Banken zu , ein Skandal jagt den nächsten und man wirft der Spitzederin Skrupellosigkeit, Betrug und Durchtriebenheit vor. Hier bekommt der rachsüchtige Advokat Vicenti seinen großen Auftritt und er gibt nicht eher Ruhe, bis er sein Ziel, die Spitzederin ans Messer zu liefern, erreicht hat. Dass dadurch zehntausende Menschen ihr ganzes Hab und Gut verlieren, scheint ihm egal zu sein - er zieht sein Ding durch.
Die Schreibende zeigt das Bild einer facettenreichen Frau, die wie keine andere die Münchner Stadtgeschichte geprägt hat. Dabei ist ihr Buch aktueller denn je, denn Adele Spitzeder hat vor gut 150 Jahren nur das gemacht, was heute in der Welt der Finanzen gang und gäbe ist - Kunden werden mit dem Versprechen nach dem großen Geld angelockt, aber die grandiose Rendite stellt sich nie ein und nicht selten hat das den Untergang des (Klein-)Anlegers zur Folge. Die großen Bankenskandale der jüngeren Vergangenheit sind leider Beweis dafür :-(
Bhavya Heubisch hält dem Leser einen gesellschaftskritischen Spiegel vor und regt zum Nachdenken an.