Rezension zu "Iss das jetzt, wenn du mich liebst" von Bianca Nawrath
Der Titel hat mich total angesprochen, da ich diesen Spruch laufend in meiner Kindheit gehört habe. Gleich war meine neugierige geweckt und ich hab nachgeschaut, worum es in diesem Buch geht. Als ich dann in der Beschreibung gelesen habe, dass katholisches Polen auf muslimischen Schwiegersohn trifft, wusste ich, dass ich es lesen will.
Kinga lebt in Berlin und ihre Eltern kommen aus Polen: Nachdem Kinga jahrelang ihren Freund Mahmut vor ihren Eltern verheimlicht, findet sie irgendwann den Mut, ihn als ihren „Freund“ vorzustellen, gleichzeitig verheimlicht sie aber, dass sie schon mit ihm verlobt ist. Die Eltern reagieren nicht begeistert und wollen Mahmut in Polen kennenlernen, wo die Familie bei der Hochzeit einer Cousine eingeladen ist. In Polen kommt es zu einigen skurrilen und schrägen Szenen zwischen Mahmut und Kingas Familie, aber auch einigen tiefgründigen und emotionalen Gesprächen.
Mit viel Witz und Charme erzählt Bianca Nawrath hier von Zugehörigkeit, Rassismus, Ankommen, Vorurteilen und Klischees. Manche klischeehafte Darstellungen kann ich (leider) genau so bestätigen. Zwar stammen meine Eltern nicht aus Polen, aber ich habe sehr viele Parallelen zu meiner eigenen Verwandtschaft in Kings Familie entdeckt. Viele Aussagen, die ich hier gelesen habe, kamen mir sehr bekannt vor und ich konnte diesen Zwiespalt zwischen Zugehörigkeit, Liebe und Scham stark nachvollziehen. Ich fand die Erzählweise, abwechselnd zwischen Kingas Erinnerungen und aktuellen Story, absolut spannend und habe durch die Erinnerungen manches in der aktuellen Geschichte besser verstanden. Hilfreich waren dabei die unterschiedlichen Schriftarten, sodass ich immer gleich wusste, was gerade erzählt wird. Ich würde sagen, manches ist absichtlich überzeichnet dargestellt und aus dem Grund hatte ich öfters das Gefühl, mir eine Komödie zu einem ernsten Thema anzuschauen. Ja, an der ein oder anderen Stelle war es etwas vorhersehbar, aber hat meine Leselust nicht minimiert. Ich hatte tatsächlich oft filmartige Szenen im Kopf und musste öfters schmunzeln und gleichzeitig hab ich öfters genickt und gedacht „Ja, genau so!“. Ich hab verstanden, wie schwer es ist, zwei Kulturen in sich zu tragen, wie man sich gleichzeitig für seine Herkunft schämen und sie lieben kann, dass auch deine liebsten Menschen voller Vorurteile sein können und das manche „spießig“ wirkenden Verwandten doch toleranter sein können als vermutet.
S. 84 „Mahmut mustert mich nachdenklich. Ihm scheint ein Gedanke zu kommen, den er noch nie vor mir ausgesprochen hat: „Wärst du lieber in Polen aufgewachsen?“ Ich schüttle intuitiv den Kopf. Es fühlt sich allerdings an, als würde ich jemand anderen antworten hören: „Meine Eltern haben mir viel damit geschenkt, nach Deutschland zu ziehen.““
S.223 „Es ist kein Geheimnis, dass Matzes Papa die NPD wählt. Aber Matze mögen wir trotzdem. Also, wenn er uns nicht gerade wieder Schulbrote klaut. Dafür kann er nämlich was, aber er kann nichts für seinen behämmerten Papa.“
S.273 „Wenn es sogar in mir ein Gefühl der Solidarität auslöst, auf Menschen aus Polen zu treffen, obwohl ich ein sehr strittiges Bild der Heimat meiner Eltern habe … wie muss es da erst ihm gehen und einer ganzen Generation von polnischen Eltern und Großeltern in Deutschland?“