Cover des Buches Eine kurze Geschichte von fast allem (ISBN: B00BWEQ9T4)
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Rezension zu Eine kurze Geschichte von fast allem von Bill Bryson

Rezension zu "Eine kurze Geschichte von fast allem" von Bill Bryson

von Mario_Veraguth vor 9 Jahren

Kurzmeinung: Wenn statt den Augenlidern nach unten die Mundwinkel nach oben gehen, rockt das Sachbuch

Rezension

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Mario_Veraguthvor 9 Jahren

Mit so viel Witz, Esprit und Charme die knochentrockensten Themen darstellen zu können stellt eine Meisterleistung dar und zeugt vom Talent des eigentlichen Reiseschriftsteller mit satirischem Potential.

Wie der Titel sagt bekommt man eine Exkursion quer durch Welt- und Wissenschaftsgeschichte geliefert, die in dieser Form seinesgleichen sucht und den Schwerpunkt auf die naturwissenschaftlichen Disziplinen legt. Man hat alles schon einmal gehört oder noch eine ungefähre Vorstellung im Hinterkopf, nur erstaunlicherweise bleiben durch die gut visualisierbaren Darstellungen in diesem Fall wesentlich mehr Aspekte haften als beim, mit nach Epochen wechselnden Piktogrammen geschmückten, Zeittafeldiagramm aus dem Schulunterricht. Ein großer Teil der Lesbarkeit fußt auf der erfolgreichen Bemühung Brysons, in jedem eigentlich noch so theoretischen und schwer verständlichen Bereich eine Nähe zu den, im weitesten Sinne, Protagonisten darzustellen, die man in dieser Form und Qualität eher in der Belletristik erwartet hätte. Und das ist seine spezielle geheime Zutat, die leider so unendlich schwer herzustellen ist und sicher viele geniale, aber literarisch durchschnittliche Wissenschaftler und potentielle Sachbuchautoren davor zurückschrecken lässt, ein eigenes Werk zu kreieren.

Selbst in noch menschenleeren Erdepochen oder rein theoretischen Ausführungen gelingt es Bryson, den Gegenstand der Betrachtung derart mit Leben zu füllen, dass die Assoziationsmöglichkeiten und Anschaulichkeit regelrecht Sympathie wecken für Geißeltierchen, Quanten und Ursuppe.

Und der Spaß steigert sich mitsamt der Evolution bis zum vorläufigen Endresultat des schrulligen Wissenschaftlers. Was geniale Menschen an verhaltenskreativen Potential zusätzlich zu ihrer eigentlichen Begabung zu bieten haben, treibt durchschnittlich talentierten und sozial unauffälligen Zeitgenossen doppelte Schamesröte ins Gesicht. Normal im Denken und Verhalten statt exzentrisch und brillant, welch Ungerechtigkeit.

Seien es besondere Vorlieben, Sozialängste, misanthropische Tendenzen, eigentümliche Versuchsanordnungen oder neurotische Neigungen, Genies waren zu allen Zeiten eigentümliche Zeitgenossen. So potenziert sich der schon vorgegebene Unterhaltungswert mit dem Talent des Autors und führt so nebenbei durch die wesentlichsten Punkte der Wissenschaftsgeschichte. Theorien, Lehrmeinungen, Anachronismen und Paradigmenwechsel geben sich die Klinke in die Hand und zu den Höhepunkten gehören die Aufeinandertreffen zweier ebenbürtiger Gegner, in diesem Fall Wissenschaftler.

Zu welch seifenopernhafter Bosheit Menschen des Geistes fähig sein können verblüfft angesichts des Stereotypes vom laborkitteltragenden Einzelgänger. Und mit welch Argumenten, Taktiken und Winkelzügen die eigenen Thesen untermauert und im Gegenzug konkurrierende Erklärungsansätze ihrer Existenzberechtigung enthoben werden, gehört zu den immerwährenden Nebenerscheinungen der Forschung. Wobei der aktuelle Stand der Dinge nicht so unterhaltsam anmutet wie die Debatten vergangener Tage, da man sich in modernen Zeiten wähnt. Aber der aktuelle Wissensstand und die damit einhergehende, zu allen Zeiten felsenfeste Gewissheit über dessen Richtigkeit und Bestand, werden in Zukunft für ähnliche Heiterkeit sorgen, wie der Blick in die vermeintlich primitive Vergangenheit.

Gerade dass so viele, tiefgreifende Veränderungen mit sich bringende, Erfindungen rein zufällig aufgrund unerwarteter Ergebnisse von unbeabsichtigten Experimenten gemacht wurden, veranschaulicht den Tümpel der Erkenntnis angesichts des Wasserplanetens des Unwissens.

Als einzigen Mangel kann man gelegentlich falsche Zahlenangaben anführen. Aber unter dem Aspekt, dass sich schon etliche wissenschaftliche Sachverhalte und Zeiträume extrem verschoben, reduziert oder gesteigert haben, kann man hinsichtlich dessen getrost ein Auge zudrücken.

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