Rezension zu "Career Suicide" von Bill Kaulitz
Die Autobiografie von Bill Kaulitz...
Als Gesicht der Band Tokio Hotel wurde Bill Kaulitz für sein exzentrisches Auftreten geliebt, belächelt, bewundert und gehasst wie kein Zweiter. Fans verehrten seinen androgynen Style, die Presse reagierte mit Ratlosigkeit und Spekulationen über seine sexuelle Identität. Als der Rummel um die eigene Person gefährliche Ausmaße annahm, floh Bill mit seinem Zwillingsbruder Tom nach Los Angeles.
Von dort blickt er auf die ersten dreißig Jahre seines Lebens zurück. Aufgewachsen in der Nähe von Magdeburg, war Bill Anfeindungen und Unverständnis gewohnt, ließ sich aber nie beirren und verfolgte konsequent seine künstlerischen Visionen und seinen Traum eines Lebens abseits von provinzieller Enge. Zum ersten Mal erzählt er hier offen von seiner Kindheit im Nirgendwo, von Tokio Hotels überwältigendem Erfolg, aber auch von Eskapaden, Einsamkeit und der besonderen Beziehung zu seinem Bruder Tom.
(Quelle: Auszug aus der Inhaltsangabe – Ullstein Verlag)
„Career Suicide“ ist die Autobiografie von Bill Kaulitz, in der er seine ersten dreißig Jahre Revue passieren lässt - überraschend, ehrlich und schonungslos.
Bill und sein Zwillingsbruder Tom kamen am 01. September 1989 zur Welt und sind im Jahr 2005 mit ihrer Band Tokio Hotel schlagartig berühmt geworden. Mit gerade mal 15 Jahren mussten sie mit der großen Berühmtheit, kreischenden Teenagern und auch Hatern zurechtkommen. Als alles zu viel und auch gefährlich wurde und die Bekanntheit ein normales Leben unmöglich machte, flohen Bill und Tom im Jahr 2010 nach Amerika – in Los Angeles fanden sie schließlich eine neue Heimat und lernten, ein normaleres Leben abseits vom Rampenlicht zu führen.
„Irgendwann hatten wir irgendwo die Kontrolle über unser Leben verloren. (…) Es war, als jagten wir unserem eigenen Leben hinterher und versuchten krampfhaft, wieder das Steuer zu übernehmen.“ – Seite 298
Den Hype um Tokio Hotel habe ich damals natürlich mitbekommen – ich war zu der Zeit nicht mehr im Teenageralter und habe das Geschehen eher am Rande verfolgt. Ich finde, dass Bill eine interessante Persönlichkeit ist und war daher neugierig auf seine Autobiografie, die schon länger bei mir im Regal steht.
Da ich vor kurzem die Netflix-Serie Kaulitz & Kaulitz gesehen habe und auch den Podcast „Kaulitz Hills – Senf aus Hollywood“ regelmäßig höre (beides unheimlich unterhaltsam und empfehlenswert) war nun der perfekte Zeitpunkt, um dieses Buch zu lesen.
Nach einem ausführlichen und etwas wirr-verschnörkelten Vorwort von Benjamin Stuckrad-Barre beginnt Bill im Prolog mit einer Momentaufnahme seines aktuellen Lebens, um dann ganz zum Anfang zurückzukehren: Der Geburt von ihm und seinem Zwillingsbruder Tom. Ausführlich berichtet er von seiner Kindheit (und einigen speziellen Erlebnissen), über die eher verhasste und auch schwere Schulzeit bis hin zum plötzlichen Weltruhm mit gerade einmal fünfzehn Jahren.
Das war der Moment, in dem wir verstanden haben: „Okay, ab jetzt ist unser Leben ein anderes!“
Irgendwo zwischen Love, Wahnsinn und Hass würde es sich in Zukunft abspielen. – Seite 196
Auch die schwierigen Jahre danach und die völlige Überforderung mit dem Ruhm bis hin zur rettenden Flucht nach Los Angeles beschreibt Bill direkt und ehrlich, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Von Armut bis hin zum plötzlichen Reichtum, zwischen Beliebtheit und extremen Hass bis hin zu seinem aktuellen Leben in der neuen Heimat, wo die beiden Brüder nochmal neu anfangen und sich neu sortieren konnten – er gibt in alles einen umfangreichen Einblick.
Auch wird hier sehr deutlich, wie nah sich die Zwillinge stehen. Gemeinsam wehrten sie sich gegen Mobbing, das extreme Ausmaße angenommen hat und hielten immer zusammen.
„Je dunkler die Zeiten wurden, desto mehr rückten wir zusammen. Nichts und niemand konnte uns drei auseinanderbringen.“ – Seite 93
Bills Lebensweg lässt sich sehr gut verfolgen – oft extrem, nicht immer einfach und manchmal auch dunkel – aber später auch hoffnungsvoll gestimmt, als er endlich ohne Angst leben konnte und seine Heimat und sein Traumhaus fand.
Der Erzählstil ist einfach und eher locker gehalten. Wir bekommen einen detaillierten Einblick hinter die Kulissen von Tokio Hotel und wie es anfangs wirklich war mit den vielen Managern, Produzenten und Reporten, die nicht immer Gutes wollten. Es wird mal emotional und auch bewegend, aber oft auch nicht ganz jugendfrei.
Allerdings gab es auch etwas, was ich eher negativ empfand: Ab und an wirkte er mit seinen Aussagen etwas arrogant und abgehoben – und auch mal etwas herablassend. Doch wie hinterher im Epilog klar wird, war ihm das durchaus bewusst und war dann so gewollt.
Ab und an war mir die Sprache etwas zu overload mit zu vielen Ausrufezeichen. Andere Abschnitte wiederum ließen sich besser lesen, zeigen das auf und ab in seinem Leben und schließlich auch eine andere Seite von Bill, die alles andere als arrogant ist und ihn zu einem herzlichen Menschen macht, der nach einem glücklichen Leben sucht und sich nicht verbiegen lässt. In der Netflix-Serie und auch im Podcast hat Bill eine herrlich erfrischende und ehrliche Art.
Das Cover sowie der Titel sind sehr passend – die Kombination aus dem Schwarz-weiß-Foto und dem pinken Schriftzug, sowie dem geschwärztem Buchschnitt bei dem Hardcover hat mir sehr gefallen. Zudem gibt es am Anfang der einzelnen Kapitel es ein paar schwarz-weiß Bilder aus den jeweiligen Lebensabschnitten.
„Jetzt, mit 27, fühlte ich wieder etwas, wenn ich da oben stand und den Monsun über das kreischende Publikum regnen ließ. Ich ließ Emotionen zu und die ekstatischen und weinenden Gesichter in der ersten Reihe bedeuteten mir was. Sie berührten mich.“ – Seite 363
Mein Fazit: Eine bewegende Biografie – Bill Kaulitz schreibt ehrlich, schonungslos und offen über seine ersten dreißig Jahre. Sein Weg lässt sich gut verfolgen – von speziellen Kindheitserinnerungen bis hin zum Ruhm mit all seinen Schattenseiten und dem Aufbruch nach Los Angeles. Spannend zu verfolgen, nur ab und an ab war der Erzählstil zu überladen und die eingestreuten vulgären Sätze waren jetzt so auch nicht unbedingt nötig. Abgesehen von diesen kleinen Kritikpunkten ist es dennoch eine interessante und lesenswerte Biografie mit tiefen Einblicken.