Bina Shah

 3,6 Sterne bei 73 Bewertungen
Autor*in von Die Geschichte der schweigenden Frauen, Before She Sleeps und weiteren Büchern.

Lebenslauf

Bina Shah studierte am Wellesley College und der Harvard Graduate School of Education. Heute lebt sie in Karachi, Pakistan, wo sie als Journalistin arbeitet. Regelmäßig erscheinen ihre Artikel über die pakistanische Gesellschaft, Politik und Frauenrechte in der "International New York Times". Außerdem schreibt sie Romane in englischer Sprache. Bisher sind vier Romane und zwei Kurzgeschichtenbände erschienen.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Bina Shah

Cover des Buches Die Geschichte der schweigenden Frauen (ISBN: 9783946503941)

Die Geschichte der schweigenden Frauen

(72)
Erschienen am 05.04.2019
Cover des Buches Die Geschichte der schweigenden Frauen (ISBN: 9783958905283)

Die Geschichte der schweigenden Frauen

(0)
Erschienen am 28.11.2024
Cover des Buches Before She Sleeps (ISBN: 9781883285760)

Before She Sleeps

(1)
Erschienen am 07.08.2018

Neue Rezensionen zu Bina Shah

Cover des Buches Die Geschichte der schweigenden Frauen (ISBN: 9783946503941)

Rezension zu "Die Geschichte der schweigenden Frauen" von Bina Shah

Ein LovelyBooks-Nutzer
Wunderbare dystopische Parabel

50 Atombomben haben gereicht. Beginnend mit einem Krieg zwischen Indien und Pakistan breitet sich der Ultimative Krieg von dort nach Westen aus. Der Schmelztiegel des Nahen und Mittleren Ostens implodiert und reißt die Menschheit in einer Kettenreaktion in den Abgrund. Tausende Atombomben stehen in den monströsen Arsenalen der weltweiten Militärs. Doch es reichten bereits 50 Atombomben aus, um den Nuklearen Winter auszulösen. Binah Shah beschreibt in „Die Geschichte der schweigenden Frauen“ das Ende der bisherigen Welt, die Neuordnung und den gesellschaftlichen Neuanfang unter katastrophalen Voraussetzungen. Zwei, drei Generationen nach der Vernichtung eines großen Teils der Menschheit hat sich viel geändert. Doch wie so häufig nach gesellschaftlichen Umwälzungen, bleiben die strukturellen Herrschaftsverhältnisse die Gleichen. Das Patriarchat hat sich in die Zukunft gerettet.

Die Metropole Greeen City ist die Hauptstadt Südwest-Asiens. Mitten in der Wüste erhebt sich diese gigantische, grüne Oase. Auferstanden aus Ruinen, dem Phönix aus der Asche nicht unähnlich, glänzt dieses moderne, technologisch fortschrittliche und den Bewohnern Sicherheit und Wohlstand bringende Paradies. Im Gegenzug erwartet die Obrigkeit von den Bewohnern Green Citys die Einhaltung restriktiver Regeln. Die Oligarchie mächtiger Männer hat diese schöne Anscheinswelt erschaffen, in der die Menschen in Wirklichkeit wie Untertanen leben, während die Herrschenden in römischer Dekadenz dahinschwelgen. Faktisch hält die Obrigkeit die Menschen mittels Gewalt und Technologie unter totaler Kontrolle. Am schlimmsten ergeht es den Frauen von Green City. Aufgrund des Krieges und Epidemien sind die meisten Frauen gestorben. Um eine neue Gesellschaft aufzubauen, sind Frauen verpflichtet, mehrere Männer zu ehelichen, um so viel Nachwuchs wie möglich zu zeugen.

Sie war eine seltsame Mischung aus Haushaltsschule, Indoktrinierungslager und Märchenschloss. Es wurde erzählt, dass dort alles rosa war. Wenn Jungen ihre Oberschule absolvierten gingen sie zur Universität, aber Mädchen zogen in die Markaz. Um zu lernen, wie man eine gute Gattin wird.

„Oberirdisch sind wir bloß Frauen, aber hier unten, in der Panah, sind wir wieder zu Menschen geworden.“

Die Protagonistinnen dieser misogynen Dystopie sind eine kleine Gruppe junger Frauen, die sich diesem Horrorszenario entziehen. Versteckt in einem alten Bunkersystem unter der Erde, der Panah, sichern sie ihr Überleben, indem sie mächtigen Männern nächtliche Dienste anbieten. Dabei geht es jedoch nicht um Prostitution, sondern um Nähe, um Intimität ohne Sex, um (gespielte) Zuneigung. Etwas was in der Welt der Ausbeutung von Frauen als Gebärmaschinen kaum mehr existiert.

Vielleicht ist es ein Leben im Schatten, aber immerhin befiehlt uns keine Behörde und kein Amt, wen wir heiraten und für wen wir die Beine breit machen müssen. Niemand kann mit unseren Eierstöcken herumexperimentieren, uns mit Fruchtbarkeitsmedikamenten vollpumpen oder unseren Zyklus und die Eiersprünge überwachen. Unsere Körper sind keine Inkubatoren, die die ‚Anzahl der Frauen angemessen vergrößern‘. Oberirdisch sind wir bloß Frauen, aber hier unten, in der Panah, sind wir wieder zu Menschen geworden.

Manche Entscheidungen in der Geschichte der schweigenden Frauen erscheinen unsinnig und irrational, manche Entwicklungen falsch nachgezeichnet. Aber man darf sich nicht von seinen eigenen Vorstellungen und Wünschen verleiten lassen. Unter den dystopischen Verhältnissen von Green City ist alles anders. Und Binah Shah beschreibt dieses (selbst-)zerstörerische Leben beklemmend real.

Keiner von uns ist normal. Green City hat uns unsere Normalität gestohlen, unsere Kindheit, unsere Zukunft. Was ist überhaupt Normalität? Wir leben unter bizarren Umständen, und entweder kommen wir damit zurecht, oder wir zerbrechen und zersplittern wie Glas. So viel hat mir die Panah beigebracht: Ich habe gelernt meinen eigenen Wahnsinn einfach zu ignorieren.

Es sind diese totalitären Verhältnisse, diese menschenunwürdigen, frauenfeindlichen Bedingungen, die den Alltag beherrschen. Wenn Karl Marx schreibt, der Mensch ist das Ensemble seiner gesellschaftlichen Verhältnisse, dann müssen pathologische Gesellschaften, kranke Individuen hervorbringen.

„Manchmal ist es tröstlicher, über die Vernichtung nachzudenken als über das Überleben.“

Missverständnisse, Kommunikationsprobleme und Geheimnisse führen zu einer gesamten Entwicklung, die niemand vorhergesehen hat und die auch so niemand wollte. Die Geschichte der schweigenden Frauen kann zugleich als ein paradigmatischer Roman des psychologischen Thomas-Theorems gelesen werden.

Wenn die Menschen Situationen als wirklich definieren, sind sie in ihren Konsequenzen wirklich.

Was nichts anderes bedeutet, als das Menschen aufgrund der ihnen zugänglichen Informationen handeln. Und wenn sie eine Situation als real anerkennen, aufgrund ihres Wissens über diese Situation, dann wird ihr Handeln Realität schaffen, auch wenn die ursprüngliche Situation nicht real war. So können z.B. Lügen oder Gerüchte reale Handlungen erzeugen. Mit all ihren schrecklichen Konsequenzen. Bina Shah hat dieses Konzept zu Ende gedacht und in einer erschütternden Geschichte verarbeitet.

Der Roman glänzt nicht mit einem allzu ausgereiften Worldbuilding. Die Rahmenbedingungen werden zwar weitestgehend stimmig geschildert, bleiben aber hinter den Möglichkeiten des Genres zurück. Ein Meisterwerk der dystopischen oder der Science Fiction Literatur wird es nicht werden. Aber das steht hier auch nicht im Vordergrund, vielmehr werden gesellschaftliche Entwicklungen und die aktuelle Gegenwart ein wenig in die Zukunft transponiert, um als feministische Parabel ihre Kraft auf das Hier und Jetzt zu entfalten. Der Fokus liegt auf den Protagonistinnen, auf deren Leben und Erleben. Und hier liegt auch die Stärke des Romans, der zunehmend an Spannung und Geschwindigkeit gewinnt, um konsequent auf eine Tragödie zuzusteuern.

Eine Verbindung zu Margaret Atwoods Der Report der Magd zu ziehen, liegt nahe. Binah Shah betont aber, lediglich davon inspiriert worden zu sein. Die wirkliche Nähe beider Romane liegt denn auch in der feministischen Lesart und weniger im Setting.

„Sabine hatte zwar die Kämpfe nicht hautnah miterlebt, doch das hieß nicht, dass sie nicht ihren eigenen Krieg geführt hatte.“

Die Geschichte der schweigenden Frauen ist eine dystopische Parabel, die Genreliebhaber*innen eine kurzweilige Unterhaltung bietet, die aber vor allem als feministische Literatur zu wirken vermag. In Zeiten zunehmender Frauenfeindlichkeit und immer noch zahlreichen Gesellschaften mit brutaler Unterdrückung von Frauen, ist diese Dystopie, die zu sensibilisieren vermag, die Empathiefähigkeit fordert und fördert und die letztlich zur Rebellion gegen Ungerechtigkeiten provoziert, ein mutiger und unbedingt lesenswerter Roman.

Cover des Buches Die Geschichte der schweigenden Frauen (ISBN: 9783946503941)
3lesendemaedelss avatar

Rezension zu "Die Geschichte der schweigenden Frauen" von Bina Shah

3lesendemaedels
Poetische Geschichte für alle Liebhaber von "Report der Magd"

Es herrscht ein autoritäres Regime in der Zukunft der asiatischen Mega-Metropole Green City. Das Leben der Bewohner wird bis ins Privateste kontrolliert. Weil es zu wenig Frauen gibt, müssen sie mehrere Männer haben, um möglichst viele Kinder zu gebären. Doch die Frauen der Panah, die im Untergrund leben, möchten sich diesem Zwang nicht beugen. Sie verbringen ihre Nächte mit hochgestellten Männern, nur um ihnen Nähe zu geben und gute Gespräche zu führen. Berührungen ohne Sex ist die Bedingung von Lin für ihre Frauen, die Zuflucht in der Panah fanden. Bis eines Morgens ihr Liebling Sabine ohnmächtig vor dem Haus eines Klienten zusammenbricht.
Die pakistanische Schriftstellerin hat eine gute, poetische Geschichte geschrieben, die, wenngleich sie auf der Welle von "Report der Magd" mitschwimmt, gut umgesetzt ist.

Cover des Buches Die Geschichte der schweigenden Frauen (ISBN: 9783946503941)
Kathrin_Schroeders avatar

Rezension zu "Die Geschichte der schweigenden Frauen" von Bina Shah

Kathrin_Schroeder
Tolle Idee, Ausführung ausbaufähig

Bina Shah "Die Geschichte der schweigenden Frauen"

In den meisten Fällen ist das Geschlecht, das mit mehreren Partnern verheiratet ist, das Mächtigere. Doch dies gilt nur, wenn dieses Schicksal frei gewählt wurde. Nicht in der hier beschriebenen Gesellschaft, in der jeder Frau mehrere Gatten zugeteilt werden, die Fruchtbarkeit überwacht und das Gebären von Kindern die Lebensaufgabe ist. Nur die Frauen in der Panah sind frei von dieser Aufgabe, aber in ständiger Angst vor Verfolgung und Bestrafung und gebunden an strenge Regeln und Auflagen, die das unabhängige Überleben ermöglichen.

Die Idee hinter der Geschichte klang gut, die Erzählweise mit wechselnden Erzählstimmen gefiel mir gut, doch insgesamt konnte die Geschichte mich nicht erreichen.

Die Situation der Gesellschaft ging mir nicht nahe genug und das Leben in der Panah brachte zusätzlich zur ständigen Gefahr kaum ein erstrebenswertes Leben.

Zusätzlich enthielt die Geschichte einige störende Logikbrüche - der Tee, der auf der Rückfahrt in den Wagen gestellt, später auf der Hinfahrt getrunken  würde. Brüche in den Regeln der Frauen - nie schlafen bei den Männern, dann dort aufwachen, zur völlig falschen Zeit, führt weder zu Konsequenzen noch auch nur zu Gedanken darüber. Die Machtstruktur ist undurchsichtig, einerseits sind einige Männer mächtig, andererseits stoßen sie schnell an Grenzen ihrer Möglichkeiten. Wer entscheidet tatsächlich - alle scheinen unterdrückt.

Wer über diese Brüche hinweglesen mag und sich auf die Idee einlässt, findet eine interessante Zukunftsvision einer dystopischen Gesellschaft.

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