Rezension zu "Einfach traden" von Birger Schäfermeier
Spätestens dann, wenn man versucht, eine solche externe Strategie anzuwenden, die nachweislich bei anderen funktioniert hat, und damit scheitert, wird man diese einfache Aussage verstehen. Sie ist so wahr wie zunächst schmerzhaft. In ihr verstecken sich eigentlich zwei Aussagen, nämlich erstens, dass man nicht jede fremde Strategie übernehmen kann, weil sie vielleicht nicht zur eigenen mentalen Struktur passt, und zweitens, dass selbst dann, wenn man eine solche Methodik selbst entwickelt oder gefunden hat, es immer noch zur Selbstsabotage kommen kann. Vielleicht ist man dann auch noch durch ständige Misserfolge so durcheinander, dass man nicht weiß, ob es an der Methodik oder an einem selbst oder an beiden liegt.
Birger Schäfermeier gehört zu den Tradern, die sich gerne öffentlich machen. Er tut damit anderen Tradern einen großen Gefallen, weil er ihnen nicht nur durch seine Erfahrungen hilft, sondern ihnen auch das Gefühl gibt, nicht völlig blöd zu sein. Seine Erkenntnisse sagen ihnen auch, dass er durch das gleiche Höllenfeuer gegangen ist, in dem sie vielleicht gerade stecken. Trading offenbart gnadenlos vermeintliche eigene Schwächen, auf die man sonst nie gestoßen wäre, hätte man sich nicht an diesem Ausscheidungsspiel beteiligt. Schäfermeiers Ratschläge sind eigentlich nicht neu, denn sie stammen von Leuten, die sich aus anderen Beweggründen mit den gleichen Fragen schon vor mehr als zwei Jahrtausenden herumgeschlagen haben. Schäfermeier bricht sie in seinem Buch auf den Handel mit Wertpapieren herunter.
Nun kann man an Börsenbücher vielfältige Erwartungen haben. Vielleicht denkt mancher, dass es doch über diese Art von Tätigkeit Auskünfte geben muss, die endlich darüber berichten, wie es geht. Solche Bücher gibt es nicht und kann es nicht geben. Es existieren lediglich mehr oder weniger gute Berichte darüber, wie es andere versucht haben. In diesem Buch geht es nicht um Handelsstrategien, sondern allein darum, wie man sich so umorientiert, dass man sich auf den eigentlichen Handelsprozess fokussieren kann. Die schlechte Nachricht dabei ist, dass das Lesen dieses Buches allein nicht viel ändern wird. Man kann nicht erwarten, dass sich etwas ändert, wenn man alles so weiter macht wie bisher. Und diesen gewiss nicht schmerzfreien Veränderungsprozess muss man selbst durchmachen. Schäfermeier berichtet, wie er gelitten und sich verändert hat. Vielleicht findet mancher Leser dieses Buch schon deshalb faszinierend, weil er unabhängig vom Autor zu ganz ähnlichen Erkenntnissen gelangt ist.
Der Text ist in fünf Abschnitte unterteilt: (1) Ziele erreichen, (2) Entscheidungen, (3) Denken und Wahrnehmung, (4) Mental Trading, (5) Expertentipps. Kern des Buches ist der 4. Abschnitt, in dem Emotionen diskutiert werden, die beim Handeln auftreten. Im Grunde geht es dabei immer um unser Verhältnis zur Angst. Manche Autoren schreiben gerne vom Wechselspiel zwischen Gier und Angst und übersehen dabei, dass es sich gar nicht um Gier im eigentlichen Sinne handelt, sondern vielmehr um eine Spielart der Angst, nämlich um die Angst, eine Gelegenheit zu verpassen. Schäfermeier widmet sich daneben und im Zusammenhang mit der Angst dem Vertrauen und dem Selbstvertrauen.
Da Schäfermeier kein Psychologe ist, der sich mal nebenbei mit den Problemen von Tradern befasst, sondern alles aus eigener Erfahrung kennt und durchgemacht hat, werden viele Leser sich selbst wiedererkennen. Schäfermeier schreibt, dass man sich seinen Emotionen stellen muss, wenn man etwas ändern will. Man geht dem gerne aus dem Weg und verfällt in eine Art Ablenkungsmodus, nur um sich dem Schmerz einer solchen Auseinandersetzung nicht auszuliefern. Doch man muss da durch, ansonsten bleibt alles wie es ist.
Ich empfand dieses Buch trotz gelegentlicher Längen als sehr informativ und sympathisch, weil es ehrlich ist und einen Prozess beschreibt, den jeder Trader durchmachen muss, wenn er nachhaltig erfolgreich sein will. Ob er dabei auf den gleichen Pfaden wie Schäfermeier zum Ziel kommt, bleibt offen, aber ähnlich werden sie schon sein müssen. Dies ist also kein Buch, das alle persönlichen Probleme von Tradern löst, sondern das nur die prinzipielle Navigation vorgibt. Den Weg muss man damit letztlich alleine finden. Und die Hindernisse auf ihm muss man immer selbst beiseite schaffen.