Birgit Müller-Wieland

 3,8 Sterne bei 8 Bewertungen
Autorin von Flugschnee, Vom Lügen und vom Träumen und weiteren Büchern.
Autorenbild von Birgit Müller-Wieland (©Andrea Huber)

Lebenslauf

Birgit Müller-Wieland wurde am13. September 1962 als Birgit Feusthuber in Schwanenstadt in Oberösterreich geboren. Nach dem Abitur studierte sie 1980 Germanistik und Psychologie an der Universität Salzburg, Rostock und Ostberlin. Anschließend arbeitete sie als Literaturwissenschaftlerin und Journalistin und leitete von 1991 bis 1993 den Dachverband der Salzburger Kulturstätten. 1997 heiratete sie den Komponisten und Dirigenten Jan Müller-Wieland. 2004 wurde ihre Tochter geboren. Heute arbeitet sie als freie Schriftstellerin, zuerst in Berlin, seit 2007 in München. Im Jahr 2000 nahm sie am Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb teil. Ihr Roman "Flugschnee" wurde für den Deutschen Buchpreis 2017 nominiert.

Alle Bücher von Birgit Müller-Wieland

Cover des Buches Flugschnee (ISBN: 9783701312481)

Flugschnee

(6)
Erschienen am 22.02.2017
Cover des Buches Vom Lügen und vom Träumen (ISBN: 9783701312832)

Vom Lügen und vom Träumen

(1)
Erschienen am 23.03.2021
Cover des Buches Flugschnee (ISBN: 9783701362486)

Flugschnee

(1)
Erschienen am 22.02.2017
Cover des Buches Im Blick der beschämten Bäume (ISBN: 9783701313129)

Im Blick der beschämten Bäume

(0)
Erschienen am 23.08.2023

Neue Rezensionen zu Birgit Müller-Wieland

Cover des Buches Flugschnee (ISBN: 9783701312481)
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Rezension zu "Flugschnee" von Birgit Müller-Wieland

Sanne54
Jeder hat seine Geheimnisse

Lucy hat einen immer wiederkehrenden Traum, den sie sich nicht so recht erklären kann. Ihr Bruder Simon, ein Politikstudent, ist verschwunden. Mit ihm hält sie Zwiegespräche in ihren Gedanken. Dabei geht es auch um die Suche nach der Familienidentität, denn die Eltern haben sich getrennt, die gemeinsame Familienwohnung gibt es nicht mehr. So ein bisschen übernimmt diese Rolle des Familiennests das Haus der Großeltern. Lorenz ist der Großvater, der bis ins hohe Alter von den Erlebnissen aus der Kriegszeit verfolgt ist, etwa dem Tod der Mutter, die seinetwegen bzw. wegen einer Banalität (ihren Stricksachen) bei Bombenalarm den sicheren Keller verlies. Die Großmutter versinkt langsam aber sicher in einer Demenz. Mutter und Vater sind vor allem vom Alltag getrieben. Die Geheimnisse voreinander scheinen schwerer zu wiegen als die Momente des Glücks.

"Flugschnee" hat es mir nicht leicht gemacht. Obwohl Passagen sehr interessant und flüssig zu lesen sind, ist das Buch als Ganzes und aber auch bestimmte Kapitel (v.a. die aus Lucys Sicht) anstrengend zu lesen, weil der Schreibstil in einigen Kapiteln den typischen Lesefluss bei mir verhindert hat. Man folgt den Gedanken und Erinnerungen der jeweils erzählenden Personen und bekommt dann eben genau auch nur die Information, die die Handlungs- und Gedankenfragmente oder -episoden aufgreifen. Dabei wird das eine oder andere Geheimnis offenbart, viele auch schwierige Themen aufgegriffen, wobei die Autorin oft in gut greifbaren und sehr treffenden Bildern den Gemüts- und Gefühlszustand der Figuren verdeutlicht. Dennoch bedarf es für dieses Buch einer Geduld (wie bei einem vielteiligen Puzzle), die ich persönlich leider nicht mitbringe, so dass ich mich immer wieder zwingen musste, konzentriert weiterzulesen, gerade auch wegen der Personen- und Zeitsprünge. Das Gefühl, dass mich zeitweise ergriffen hat, entsprach sehr dem Cover des Romans. Unterm Strich fand ich auch keine Nähe zu den Figuren und hatte aber auch immer das Gefühl, dass es eine Lücke zwischen mir und dem Roman gibt, die ich nicht überbrücken kann. 

Alles in allem blieb ich am Ende etwas unzufrieden zurück, so dass ich mir schwer tue, den Roman zu bewerten.

Cover des Buches Flugschnee (ISBN: 9783701312481)
himbeerbels avatar

Rezension zu "Flugschnee" von Birgit Müller-Wieland

himbeerbel
Beeindruckend und schwach zugleich

Mit dem Roman „Flugschnee“ schaffte es Birgit Müller-Wieland bis auf die Longlist des Deutschen Buchpreises im vergangenen Jahr. Mich lässt das Buch eher mit gemischten Gefühlen zurück.

Lucys Bruder Simon ist verschwunden. Das Nachdenken über ihn führt sie zu einem früheren Wintertag ins Haus der Großeltern in Hamburg, an dessen Ende etwas geschah, das den Kindern verschwiegen wurde. Dieses Schweigen bestimmt nicht nur die weitere Zukunft, sondern reicht auch in die Generation der Großeltern und Urgroßeltern zurück, welche sich in vielfältig Ungesagtes verstrickten, politisches, persönliches. Helene, die Großmutter, kämpft gegen Ende ihres Lebens allerdings umso vehementer um ihre Erinnerungen: jede, auch die schlechteste, ist ihr willkommen, um dem „Schmelzen im Kopf“ zu widerstehen.

“Was macht das Glück einer Familie aus? Wenn es – neben vielen Komponenten wie der Abwesenheit von Krankheiten, sicherem Einkommen und dergleichen – gemeinsame Erinnerungen sind, die Zusammenhalt ermöglichen, miteinander gelebte Vergangenheit“, so denkt Lucy an einem Dezembertag in Berlin an eine unglückliche Familie. Als Leser erlebt man dabei, wie sie immer wieder innerlich das Wort an ihren verschwundenen Bruder Simon richtet und dabei ihre Gedanken zu sortieren versucht. Unterbrochen wird dies unter anderem durch Rückblicke in die Zeit, als ihre Eltern sich kennen lernten, in die Kennenlernzeit ihrer Großeltern, bis zurück in die Nazi-Zeit.

Anfangs fand ich nur sehr schwer Zugang zu der Geschichte, da Zeitsprünge und Weiterführung mit den wechselnden Personen und Handlungssträngen mich verwirrten, doch die Absätze und Kapitel griffen irgendwann gekonnt ineinander, so dass sich schließlich doch ein Zusammenhang ergab und sich nach und nach die Geschichte der Familie in Puzzle-Teilchen zusammensetzte.

Ich mochte besonders das Ausdrucksvermögen der Autorin, die es schaffte mit wenigen Worten eindringlich Stimmungen, Gefühle und Situationen zu beschreiben. Vor allem beeindruckten mich die Schilderungen des Schnees, der sich wie ein roter Faden durch das gesamte Buch zieht und den Leser atmosphärisch mit der Gedämpftheit frisch fallenden Schnees umgibt – für mich ein besonderes Leseerlebnis. Aber oftmals war die Handlung auch langatmig und mir wollte sich bis zum Schluss leider nicht so recht erschließen, wohin dieses Buch den Leser eigentlich führen will. Und so hinterließ mich „Flugschnee“ mit einem unbestimmten unzufriedenen Gefühl, weil ich mir irgendwie doch mehr davon erwartet hätte. Schade.

Cover des Buches Flugschnee (ISBN: 9783701312481)

Rezension zu "Flugschnee" von Birgit Müller-Wieland

Ein LovelyBooks-Nutzer
Nach Hause möchte ich.

Der Titel des Buches könnte nicht perfekter zum Inhalt passen.
Flugschnee ist nämlich ein ganz besonders feiner Schnee. Doch was so zauberhaft und harmlos klingt, kann den Schutz eines vermeintlich sicheren Daches heimtückisch unterwandern: die winzigen Eiskristalle werden bei starkem Wind noch durch die kleinste Ritze geweht, was mitunter zu gravierenden Schmelzwasserschäden führt.
Der Schnee ist ein Leitmotiv dieses Buches, das sich über mehrere Generationen einer Familiengeschichte erstreckt, erzählt aus verschiedenen Perspektiven, die sich nach und nach zu einem Gesamtbild zusammensetzen. Denn auf den ersten Blick erscheint diese Familie wie ein sicheres Gebäude, das die Unbilden schwieriger, sogar grausamer Zeiten in gemeinschaftlichem Zusammenhalt übersteht – doch wird mit jeder Seite klarer: Geheimnisse, Ungesagtes, halb Vergessenes, das sind die Ritzen, durch die das Unglück hereingeweht wird.
Meist wird dieses Leitmotiv von der Autorin wunderbar eingesetzt, manchmal empfand ich die Methaphorik jedoch als etwas zu forciert: so wird mehrmals betont, dass die Großeltern versuchen, die durch den Flugschnee an ihrem Haus entstandenen Schäden einfach zu ignorieren, als müsste man einem begriffsstutzigen Leser noch einmal deutlich vor Augen führen, wie es um diese Familie steht.
Denn deren Konstrukt gerät in der jüngsten Generation nun endgültig ins Wanken, seit der Sohn, Simon, spurlos verschwunden ist. Einen Großteil der Geschichte sieht der Leser durch die Augen seiner Schwester Lucy, die seit vielen Jahren den immer gleichen Schneetraum träumt: einen wiederkehrenden Albtraum, den sie sich selbst nicht erklären kann, dessen Ursprung aber möglicherweise das in Gang gesetzt hat, was letztendlich zu Simons Verschwinden führte.
"Weihnachten wird kommen. Das Wort ist wie ein schriller Ton. Es schmerzt in den Ohren.Mein Herz schlägt so, dass ich die Hand drauflege.Ich summe und singe idiotischerweise:Happybirthdaytoyou.Als Kind hat das geholfen, manchmal.Ansingen und Summen gegen etwas, das irgendwie falsch ist. Happybirthdayhappybirthdayhappybirthdaytoooyouuuuu."(Zitat)
Birgit Müller-Wieland erzählt eine Geschichte, in der das Unglück nicht als großes Drama auftritt, sondern leise und schleichend. Dennoch kann man sich dem als Leser immer weniger entziehen, denn die Art und Weise, wie sie es erzählt, ist wunderbar konstruiert und erzeugt dadurch seine ganz eigene Spannung. Vieles von dem, was diese Familie erlebt, findet sich so oder so ähnlich auch in der Geschichte unzähliger anderer Familien, und dennoch ist das Mosaik, das entsteht, durch und durch originell.
Ich musste mehr als einmal an ein Zitat aus Tolstoys 'Anna Karenina' denken: "Alle glücklichen Familien gleichen einander. Jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Art unglücklich."
Die Charaktere sind in meinen Augen bestechend lebensecht, obwohl man immer nur Fragmente aus ihrem Leben zu sehen bekommt. Die Autorin hat ein Gespür dafür, eine enorme Komplexität mit dem zu erreichen, was sie zwischen den Zeilen mitteilt. Und so stellt man irgendwann fest, dass das Buch eine Vielzahl von Themen vermittelt hat: nicht nur Generationenkonflikte und Familiengeheimnisse, sondern zum Beispiel auch Gedanken über Demenz, Abtreibung und die epigenetische Trauma-Vererbung.
"Nach Hause möchte ich." (Zitat)
Der Schlüssel zu allem, was geschieht, liegt in Lucys Traum(a), beziehungsweise dessen Ursache. Und hier hat das Buch mich sehr enttäuscht, denn die Auflösung erschien mir fast schon banal, die Ereignisse zusammenhaltslos – womöglich wurden aber für mein Empfinden am Schluss einfach zu viele Dinge noch schnell abgehandelt. Überhaupt sind die so sorgsam gehüteten Geheimnisse der verschiedenen Familienmitglieder zum Teil deutlich weniger bedeutungsschwer als erwartet.
"Überall war es weiß, als ich aufblickte, makellos weiß, eine Art grundloses Existieren – es zog einen Schmerz nach sich. Der Schmerz war wie etwas, das ich einmal gekannt aber irgendwann vergessen hatte.Weißweißweiß.War es Licht?War es Farbe? Der Satz blieb."(Zitat)
Der Schreibstil hat viele magische Momente, in denen er, ruhig und schwerelos, eine ungeheure sprachliche Schönheit entwickelt.  Allerdings ist es hier ähnlich wie mit dem Leitmotiv: manchmal wirkten Formulierungen auf mich etwas überstrapaziert, und dann verlor sich für mich jeglicher Zauber. 
Fazit: Birgit Müller-Wieland erzählt die Geschichte einer Familie, die auf leise Art und Weise unglücklich ist und das selber nicht gänzlich realisiert. Das Buch springt zwischen Zeiten und Perspektiven, und dabei kristallisiert sich langsam heraus, dass hier nicht nur Familienporträts und Haarfarben vererbt wurden, sondern auch Traumata und Geheimnisse.
Oft fand ich das großartig, über weite Strecken spannend und gekonnt erzählt – manchmal aber auch zu gewollt und im Endeffekt enttäuschend aufgelöst. Alles in allem ein Buch, das ich interessant fand, das mich aber nicht bis zu Schluss überzeugen konnte. 

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Zusätzliche Informationen

Birgit Müller-Wieland wurde am 13. September 1962 in Schwanenstadt (Österreich) geboren.

Birgit Müller-Wieland im Netz:

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in 15 Bibliotheken

auf 2 Merkzettel

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