Cover des Buches Das Muschelessen (ISBN: 9783492274005)
Rezension zu Das Muschelessen von Birgit Vanderbeke

Rezension zu "Das Muschelessen"

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 9 Jahren

Kurzmeinung: Fesselnder Blick hinter die Fassade einer scheinbar glücklichen Familie.

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 9 Jahren

Inhalt:

Eine Familie wartet auf die Rückkehr der Vaters von einer Dienstreise, die der letzte Schritt zu seiner Beförderung sein soll. Zur Feier des Tages haben sie für das Abendessen Muscheln vorbereitet. Doch der Vater kommt und kommt nicht, sodass sie angespannt vor einem Berg Muscheln sitzen müssen, die eigentlich nur das Familienoberhaupt gern isst. Während sie warten, kommen Mutter, Tochter und Sohn ins Gespräch und allmählich kommt ihre jahrelang unter Verschluss gehaltene Unzufriedenheit ans Licht. Je später es wird, desto ungeschönter wird ihr Blick auf den Patriarchen und desto mehr bröckelt die scheinbare Idylle.

Schreibstil:

Ich musste diese Erzählung für die Schule lesen und war nach den ersten Sätzen erst einmal ziemlich abgeschreckt. Der Schreibstil ist sehr ungewöhnlich, im Grunde ist es ein langer innerer Monolog. Wir folgen ungefiltert den Gedankengängen der Protagonistin. Man merkt, dass die Autorin wirklich versucht hat, das Ganze wie einen Strom von Gedanken wirken zu lassen. Die Sätze sind oft sehr lang und ein bisschen wirr und die Erzählerin springt von einem Thema zum Nächsten, weil das, was um sie herum passiert, Assoziationen und Erinnerungen weckt. Am Anfang dachte ich, dass der Text anstrengend zu lesen sein würde, aber letztendlich liest er sich recht flüssig, weil die Sprache einfach und modern ist. Außerdem sind wir auf diese Weise ganz nah dran an der Protagonistin und am Geschehen, sodass die Geschichte eine enorme Sogwirkung entwickelt.

Handlung:

Am Anfang hat man noch das Gefühl, eine glückliche Familie vor sich zu haben. Erst nach und nach bekommt man einen Blick hinter die Kulissen, während die Familie auf den Vater wartet. Es stellt sich heraus, dass der Patriarch ein echtes Ekel ist und seine Familie tyrannisiert. Je mehr Details seiner Schreckensherrschaft ans Licht kommen, desto schockierter ist man als Leser. Doch erst an diesem Abend in seiner Abwesenheit erkennen Frau und Kinder, dass sie gemeinsam stärker sind als er und sich mit vereinten Kräften gegen die Tyrannei auflehnen können.

Charaktere:

Man erfährt zwar im Grunde nur wenig über die Protagonistin, hat am Ende aber trotzdem das Gefühl, sie gut zu kennen. Dank der besonderen Erzählweise kann man sich sehr gut in sie hineinversetzen und ihre Gedanken nachvollziehen. Genau wie ihre Mutter und ihr Bruder leidet sie unter ihrem tyrannischen Vater. Im Grunde ist sie eine starke, selbstbewusste Jugendliche, aber gerade das wird ihr vom Vater als Schwäche ausgelegt, der lieber eine mädchenhaftere Tochter gehabt hätte. Sie ist die ideale Erzählerin für die Geschichte, weil sie von allen Familienmitgliedern vielleicht noch den scharfsinnigsten und kritischsten Blick auf die Situation hat. Als Leser wünscht man ihr am Ende wirklich, dass sich in Zukunft etwas an der Lage ändern wird.

Fazit:

Wer sich nicht von der ungewöhnlichen Erzählweise abschrecken lässt, wird mit einem fesselnden Blick hinter die Fassade einer scheinbaren Familienidylle belohnt.

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