Rezension zu Das erotische Talent meines Vaters von Björn Kern
Rezension zu "Das erotische Talent meines Vaters" von Björn Kern
von Clari
Rezension
Clarivor 14 Jahren
Eine Vater-Sohn Beziehung von seltsamer Qualität Björn Kern ist bisher hervorgetreten mit Endzeitstudien wie „Einmal noch Marseille“ und "Die Erlöser AG“. Wenn der Autor auch dieses Mal von einem Sohn und seinem Vater Mitte der sechzig erzählt, so geht es doch hier um das Leben und nicht um das Lebensende. Philipp besucht aus Berlin kommend seinen Vater am Bodensee. Die schöne Landschaft, die Gärten, die Natur und das schon fast südliche Ambiente bieten den Rahmen für die Geschichte. Der Vater, ein Alt-68 er, bewohnt eine Villa am See. In seinem Haus verkehren verschiedene Damen, von denen man nicht so genau weiß, welche nun seine eigentliche Favoritin ist. Man gewinnt den Eindruck, dass er sie alle nicht will, denn er hat sich zum Eigenbrötler entwickelt. Er ist allerdings gut aussehend und sportlich trainiert, so dass er jugendlichen, frisch und anziehend wirkt. Der Icherzähler beobachtet das Leben und Treiben im Haus mit einiger Verwirrtheit über die dort herrschende Konfusion. Es ähnelt eher einem Quartier der Bohème denn einem gutbürgerlichen Wohnhaus. Ratlos machen ihn die weiblichen Bezugspersonen des Vaters. Auch Philipps Mutter Iris ist in ihrer Phase der Selbstverwirklichung hängen geblieben und lebt fern in ihren eigenen Sphären. Philipp, der einem ordentlichen Beruf als Behindertenpfleger nachgeht, ist leicht düpiert und kann mit dem chaotischen Leben seiner Eltern recht wenig anfangen. Er sieht seine Eltern und besonders den Vater mit kritischem Blick. Versuchsweise schafft er Ordnung in dessen Haus und Küche, gibt aber bald auf, denn in dessen Leben herrscht ein Chaos, das er nur missbilligen kann. Ein Vater-Sohn Konflikt mit umgekehrten Vorzeichen zeigen eine Ordnung, die auf dem Kopf zu stehen scheint: der Sohn ist der Überlegene, der Vater derjenige, der sein Leben nicht auf die Reihe bekommt. Man tut sich schwer mit der Lektüre. Zwischen Berlin und dem Bodensee pendelt die Erzählung hin und her. In assoziativer Weise wechseln die Betrachtungen den Ort und die Sichtweise. Fast verwischt zeigen sich die Konturen in der Geschichte, als seien sie ein Gleichnis für die beschriebenen Lebensentwürfe. Das Buch ist breit angelegt mit assoziativen Einschüben und poetischen Landschafts- und Stimmungsbeschreibungen, die den Bezug zur Handlung herstellen sollen ihn aber nur erschweren. Björn Kern kann mit diesem Werk an seine früheren Erfolge nicht anschließen.