Rezension zu "Träume am Ufer des Meeres" von Björn Larsson
Björn Larsson. Träume am Ufer des Meeres
Panta rhei. Almut Scheller-Mahmoud
Eine leichte Lektüre und doch zugleich zum Nachdenken und Sinnieren anregend. Die Handlung fließt und treibt dahin zu atlantischen Gestaden, kleinen, fast vergessenen Provinzhäfen, vielleicht gerade deshalb anheimelnd mit ihren liebenswerten, leicht schrulligen Menschen.
Viel Seeluft ist zu schnuppern, viele Wogen sind zu glätten und dazu eine Prise Seemannsgarn.
Marcel, der eigenwillige Kapitän, der auftaucht und ver-schwindet, und doch bringt er mit seinem Charme und seiner ganz eigenen unverbindlich-verbindlichen Aura vier Men-schen ins Grübeln, lässt in ihnen eine Sehnsucht wach-sen. Eine Sehnsucht, die nur oberflächlich eine Sehnsucht nach Marcel ist, im Tiefgang ist es eine Sehnsucht nach einem anderen Leben, nach sich selbst und einem anderen Menschen. Man kann es auch eine Suche nach Glück nennen.
Doch der Begriff Glück wird in der heutigen Zeit überstra-paziert, als höchstes Gut einer Leistungsgesellschaft und ei-ner mächtigen Industrie: Tourismus, Ratgeberbücher, Coaches. Aber was ist Glück? Eine dauergemeisselte Seligkeit? (Zitat aus Spiegel 17, Seite 106).
Oder eher eine Bescheidenheit, ein Annehmen des Hier und Jetzt, ohne seine Träume zu verlieren?
Marcel schafft eine unterschwellige Verbindung zu den ande-ren Protagonisten: Rosa Moreno, Kellnerin in einer galizischen Bar, die ein Kind von ihm erwartet. Die Witwe Madame Le Grand, die alle Seeleute in einem kleinen französischen Hafen willkommen heißt, zu sich einlädt und ein Archiv über alle führt. In Irland lebt der Juwelier Peter Sympson allein mit seinen steingewordenen Träumen und in Dänemark Jacob Nielsen, der seine IT-Firma verkaufte, in Frühruhestand ist, sich im Nirwana des Netzes verliert und keinen echten Kontakt zur realen Welt mehr hat.
Alle vier wagen sich heraus aus ihrem Kokon, auf der Suche nach Marcel und landen in einem kleinen irischen Hafen, wo sie aufeinander treffen und sich langsam von ihrer Zielperson, auf die ihre Hoffnungen fokussiert waren, lösen und sachte zueinander finden.
Alle vier haben den Mut gezeigt, sich aus ihrer Einsamkeit zu befreien und neue Wege zu beschreiten, ein Risiko einzuge-hen, ohne die Sicherheit eines Netzes, wie es die Trapez-künstler haben. Und sie haben gewonnen: eine neue Aufgabe, einen Menschen, dem sie ihre Zuneigung und ihr Vertrauen schenken können und letztendlich sich selbst. Denn das ist der eigentliche Sinn der Suche nach Glück: sich selbst zu finden. In sich selbst zu ruhen.
Marcel indes, der Auslöser der Träume und der Wanderung ins Ungewisse, entfernt sich immer mehr von den Menschen, ihm gelingt nicht die vertrauensvolle und verbindliche Nähe zu seinen Mitmenschen. Mit einer Segeljolle startet er allein ins offene Meer, ins Ungewisse.
Marcel erscheint mir eher wie ein Götterbote, der als Kata-lysator wirkt, das Unbewusste ins Bewusstsein führt.
Der kleine Roman ist leicht zu lesen, erinnert in seiner Essenz ein bisschen an „Das Café am Rande der Welt“ und auch an die Werke von Paul Coelho: dem esoterischen „Zeigefinger“.
Ein Buch für Herbst- und Winterabende, vielleicht auch an einem sonnendurchglühten Strand zu lesen . Am besten jedoch in einem kleinen provinziellen Seehafen, mit einem Drink und immer wieder von der Lektüre abschweifend die Menschen um sich herum betrachtend und denken: Was haben sie wohl für einen Traum und was ist ihre Geschichte?