Cover des Buches Kite (ISBN: 9781477855263)
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Rezension zu Kite von Blake Crouch

Selbst für Jack-Daniels-Verhältnisse zu grausam und unglaubwürdig

von Julia_Kathrin_Matos vor 7 Jahren

Kurzmeinung: Selbst für Jack-Daniels-Verhältnisse zu grausam und unglaubwürdig

Rezension

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Julia_Kathrin_Matosvor 7 Jahren
Meine Einschätzungen zu Band 8 (3 Sterne):

Der bisher schwächste Band. Noch nie hat sich die Reihe durch besonders viel Glaubwürdigkeit und Tiefe ausgezeichnet. Jack hat schon immer ganz gern die Heldin markiert und sich als unkaputtbar gezeigt. Doch nebst viel niedrigschwelligem Humor gab es mit Jack auch stets eine Kommissarin, der man zum einen körperliche Widerstandskraft und technisches Können im Nahkampf abnahm und die zum anderen mit viel Zynismus, Moral und Scharfsinn in den Kampf gegen Serienmörder zog, sodass man spürte, warum sie sich in einer Männerdomäne so eindrucksvoll behauptet.
Doch hier hat J.A. Konrath für meinen Geschmack den Bogen überspannt. Die etwa 53-jährige (siehe Band 1, Seite 16, 46 zuzüglich 7 Jahre) hochschwangere Jack zeigt sich beratungsresistent und reißt polizeiliche Ermittlungen an sich, ohne Rücksicht auf ihre eigene gesundheitliche Beeinträchtigung und das Leben ihres ungeborenen Kindes zu nehmen. Im späteren Verlauf durchläuft sie ein perfides und abgrundtief sadistisches Höllenszenario nach dem Vorbild von Dantes Inferno, dass sich die titelgebende Figur jahrelang unter hohem planerischen und finanziellen Aufwand ersonnen hat. Das Spielbrett ist mit Leichen gepflastert. Suche nach diversen Vermissten? Offensichtlich Fehlanzeige. In parallel verlaufenden Handlungssträngen kämpfen auch Jacks Lieblinge Harry, Herb und Phin ums Überleben, lassen sich dabei ihren Humor nicht nehmen. Und ein eigentlich halbtotes Verbrecherduo macht die Welt unsicher.
Ich gestehe: Ich habe mich durchaus unterhalten gefühlt. Für Emotionen und Spannung ist gesorgt, die Story ist nicht gänzlich flach, sondern hält Wendungen und Überraschungen bereit. Darum und weil ich es liebgewonnen habe, die Entwicklung der Charaktere in 10 Romanen mitzuverfolgen, vergebe ich immerhin drei Sterne. Dennoch schätze ich es nicht, wenn Abstruses und Schilderungen von Perversion und Brutalität derart überhandnehmen. Laut diverser Rezensionen geht es in den Folgebänden ähnlich weiter. Daher werde ich die Reihe nicht weiterverfolgen.

Meine Einschätzungen zu Band 1 bis 8 (durchschnittlich 4 Sterne):

Eindrücke in Kürze: Mordermittlerin mit faszinierendem Privatleben. Das Innenleben brutaler Psychopathen. Wenig tiefgründig, wenig glaubwürdig, dafür viel zynischer Humor und Situationskomik. Kurzweilige Unterhaltung.

Meine ausführlichen Einschätzungen, ohne Spoiler:

Jack Daniels: arbeitswütige Mordermittlerin bei der Polizei in Chicago, 46 (Band 1), kinderlos, Mutter war bereits Polizistin, ohne Vater, trinkfest, süchtig nach Teleshopping, billiges Auto, aber in jeder Situation hochwertig gekleidet, mit Schlafproblemen, bei körperlichen Auseinandersetzungen unkaputtbar, sie und ihr nahestehende Personen geraten ständig selbst ins Visier der von ihr gejagten Mörder. Ihr zynischer Humor und meine Neugierde auf die Weiterentwicklung ihres Privatlebens haben mich maßgeblich zum Lesen nachfolgender Bände animiert. Ich hätte mir aber noch mehr Tiefgang gewünscht. Dass sie z. B. in gesundheitlich angeschlagenem Zustand ständig die Heldin spielt, fand ich unglaubwürdig. Sie war für mich zu taff, zu stur, hat zu wenig Gefühle offenbart, um für mich Identifikationspotenzial zu bieten. Wer einen einfühlsamen Serienhelden sucht, ist z. B. mit Detective Max Wolfe (Autor Tony Parsons) besser bedient.

Zwei Sidekicks: Der verfressene Kollege Herb Benedict und der schmierige Privatermittler Harry McGlade. Beide sind gewollt gnadenlos überzeichnet. Negativ betrachtet leiden darunter abermals charakterliche und emotionale Tiefe und Glaubwürdigkeit. Positiv betrachtet sorgt dies für reichlich niedrigschwelligen Humor, der die düstere Atmosphäre angenehm durchbricht. Für zusätzlichen Spaß sorgen zwei steife FBI-Agenten mit abstrusen Thesen und eine irre Hauskatze.

Sprache und Erzählstil sind einfach gehalten. Ein roter Faden und eine stringente Spannungskurve sind stets gegeben. Liest sich schnell weg, hat keine Längen wie viele andere Thriller-Reihen.
Die Story wird im Wesentlichen aus Sicht von Jack wiedergegeben. Dazwischen wird kurz zur Erzählperspektive des jeweils im Mittelpunkt stehenden Serienmörders gewechselt. Aus dem Rahmen fällt Band 5, der in Echtzeit und aus vielfältigen Perspektiven wiedergegeben wird. In Band 6 wird dem Innenleben des Mörders sogar die Hälfte des Lesestoffes gewidmet. Band 7 bietet Rückblenden auf Jacks Anfänge bei der Polizei im Jahr 1989.
Die Mörder sind meistens Psychopathen mit Folterkeller. Die geschilderten Gräueltaten und die psychischen Abgründe sind nichts für schwache Nerven. Für mich nicht so krass, dass das Gelesene negativ nachgewirkt und z. B. meinen Schlaf beeinträchtigt hätte. Aber weniger brutal und pervers und mehr subtil hätte eher meinem Geschmack entsprochen. Die Kriminalgeschichten sind mittelmäßig innovativ, mal mehr und mal weniger glaubwürdig. So fand ich z. B. teilweise die Dimensionen des unentdeckten Mordens übertrieben oder es war unglaubwürdig, was schwer Verletzte noch leisten.
Besonders ab Band 5 verschwimmt die Grenze zwischen Jacks Berufs- und Privatleben. Zum Verständnis nicht erforderlich, aber für den Lesegenuss förderlich: Das Lesen in der vorgesehenen Reihenfolge.

Der schnelle Wechsel zwischen „Lachend auf dem Boden kringeln“ und „Willkommen in der Hölle“ machen diese Reihe zu etwas Besonderem.
Wie es der Autor J.A. Konrath offensichtlich beabsichtigt hat, habe ich die Reihe als unterhaltsame und kurzweilige Lektüre nach einem harten Arbeitstag zu schätzen gewusst.

Die Klappentexte finde ich gelungen. Die deutsche Titelgebung ist größtenteils unpassend, ich bevorzuge die Originaltitel.

Hinweis für Sparfüchse: Die eBooks werden oft zum Aktionspreis (1,99 € bis 2,99 €) angeboten.

PS: Richtige Lesereihenfolge: 1. Der Lebkuchenmann (2004) 2. Guter Bulle, böser Bulle 3. Die Psychopathen 4. Der Chemiker 5. Die Scharfschützen 6. Die Erzfeinde 7. Mr. K 8. Kite (2011)
„Alle wollen Tequila“ spielt 1993 und damit 11 Jahre vor Band 1. „Die Brandmörder“ spielt zwischen Band 2 und 3. Jack steht jeweils nicht so sehr im Mittelpunkt wie bei beschriebener Reihe. Besonders innovativ oder faszinierend sind die Handlungen nicht. Eingefleischte Fans werden es mögen, am Rande ein paar weitere Erkenntnisse über Jack und Herb zu gewinnen.
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