Rezension zu "Die Stunde des Maulwurfs." von Bodo Homberg
Gut oder böse, Opfer oder Täter, Widerstandskämpfer
oder Nazi - dieses Schubladendenken ist bei der Charak-
terisierung der Figuren des 1988 im Union Verlag Berlin
(DDR) erschienen Romans von Bodo Homberg (geb.
1926) nicht möglich. Die handelnden Personen gehören
zur breiten Masse, die weder zu dem einen noch dem
anderen Extrempunkt zuzuordnen sind.
Hans-Jürgen wird in eine kleinbürgerliche Familie hinein-
geboren, deren Lebensstandard sich zur Endzeit der Wei-
marer Republik deutlich verschlechtert. Deshalb fallen die
Parolen und Perspektiven der Nationalsozialisten bei ihnen
auf fruchtbaren Nährboden. Und tatsächlich geht es ihnen
nach der Machtergreifung der Nazis auch besser.
Hans-Jürgen, der zu der Zeit etwa 6 Jahre alt ist, ist be-
geistert, als "Deutschland erwacht" und findet Spaß daran,
den sich "undeutsch" verhaltenden Professor Birckenstedt
(der vorzeitig in den Ruhestand versetzt wurde, weil er in
einer Vorlesung vor der Wahl der Nazis warnte) zur Ziel-
scheibe seiner makabren Späße zu machen. Als der Krieg
beginnt, stellt er die Schlachten mit seinem Kriegsspielzeug
begeistert nach. Die Toten auf den Schlachtfeldern lösen
bei ihm nichts aus. Sie sind reine Statistik für den Jugend-
lichen. Dann wird seine Heimatstadt Rostock durch bri-
tische Bomber massiv zerstört ...
Jeder Mensch wird geprägt durch seine Umwelt, in der er
aufwächst und lebt. So auch Hans-Jürgen, der in einem
Umfeld von "aufrecht gehn und schwindeln" heranwächst,
wo gar kein Interesse besteht sich tiefer mit Politik zu
beschäftigen, solange die eigene kleine familiäre Welt in
Ordnung ist.
Ein differenzierend betrachtender und nachdenklich ma-
chender Roman über ein dunkles Kapitel der deutschen
Geschichte.