Cover des Buches Der Geruch von Häusern anderer Leute (ISBN: 9783551560216)
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Rezension zu Der Geruch von Häusern anderer Leute von Bonnie-Sue Hitchcock

Wortgewaltig und emotional

von LillianMcCarthy vor 8 Jahren

Kurzmeinung: Noch nie war ich nach einem Buch emotional so aufgewühlt. Gehört jetzt schon zu meinen Lesehighlights!

Rezension

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LillianMcCarthyvor 8 Jahren

Klappentext: Alyce weiß nicht, wie sie Fischen und Tanzen in Einklang bringen soll. Ruth hat ein Geheimnis, das sie nicht mehr lange verbergen kann. Dora will ihren Vater nie wieder sehen und wird von Dumplings Familie aufgenommen. Hank und seine Brüder hauen von zu Hause ab, doch einer von ihnen gerät dabei in große Gefahr. Und trifft auf Alyce … Hier, unweit des nördlichen Polarkreises, wo der Alltag manchmal unerbittlich ist, kreuzen sich ihre Lebenswege immer wieder. Sie kommen einander näher, versuchen einander zu retten. Und wenn man es am wenigsten erwartet, gelingt es.

Meine Meinung zum Buch: Der Geruch von Häusern anderer Leute spielt nicht in unserer Zeit sondern im Alaska der 60er Jahre. Kurz zuvor gab es einen Konflikt, der im Prolog kurz erwähnt wird. Im 19. Jahrhundert wurde Alaska, was damals eine russische Kolonie war, an die USA verkauft und fortan von ihnen verwaltet. Alaska bekam jedoch schnell eine eigene Regierung und wurde zu Beginn des 20. Jahrhundert sogar in den Kongress der Vereinigten Staaten aufgenommen. 1959 schließlich wurde Alaska der 49. Bundesstaat der USA. Viele Bürger Alaskas wollten diesen Status Alaskas auch erreichen aber nicht die Familien der Mädchen und Jungen, die in diesem Buch zu Wort kommen. So versuchen ihre Väter alles Mögliche, damit das nicht geschieht. Und durch diesen Versuch verliert der eine oder andere seinen Vater auch… Der Hauptteil des Buches spielt ein paar Jahre später und die Erzähler, die damals noch klein waren, können nicht richtig fassen, was damals genau passiert ist und wieso es Gegner des Alaska Statehood Acts gab. Sie sind unbeteiligt an dem Geschehen und ich fragte mich nicht nur einmal, ob man dies genauso erklären kann, wie die Trennung Deutschlands oder andere wichtige Ereignisse, die wir nicht mehr richtig mitbekommen haben. Kommt daher diese Unbeteiligtheit oder hat sich tatsächlich nicht so viel verändert? Ein schöner Denkansatz.

Stattdessen haben die Protagnistinnen und Protagonisten des Buches ganz andere Probleme, die ich im nächsten Abschnitt auch vorgestellt habe. Diese kommen alle sehr gut zum Vorschein, da das Buch mehrstimmig geschrieben ist und wie die Handlung aus vier Sichten lesen. Darüber hinaus gibt es noch viele andere Charaktere, die für die Geschichte wichtig sind. Trotz dieser Vielzahl von Stimmen und Geschichten ist das Buch allerdings nicht verwirrend. Die einzelnen Fäden werden so geschickt ineinander verwoben, dass sie bald schon keine einzelnen mehr sind und man sich ständig an anderen Punkten und Beziehungen orientieren kann.

Nicht nur diesen Punkt hat Bonnie-Sue Hitchcock sehr gut hinbekommen. Das ganze Buch wurde scharfsinnig und gestochen geschrieben und trifft immer genau auf den Punkt. Ich bewundere sie sehr denn trotz ihres Alters hat sie ein herausragendes Buch geschrieben, das von all dem zeugt, was sie die Jahre über gesehen und gemerkt hat. Während viele Schriftstellerinnen noch sehr jung ist, hat Frau Hitchcock den Start auch noch später geschafft und bringt so eine Menge geschichtlichen Hintergrund ein, den nicht jeder hat. Dieses Bewusstsein, dass alles, was man da liest auf historischer Ebene stimmt und auch die Schicksale der Charaktere machen das Buch darüber hinaus sehr emotional und berührend. Das ganze Geschehen wird greifbar und man fühlt sich sofort in diese Zeit versetzt.

Die Protagonistin: Der Geruch von Häusern anderer Leute unterscheidet sich von den anderen Augenblicke-Büchern insofern, dass wir nicht eine starke Protagonistin haben sondern das Buch mehrstimmig ist.

Alyce Eltern sind getrennt und jeden Sommer besucht sie ihren Vater, um ihm beim Fischen auf seinem Boot zur Hand zu gehen. Für sie ist das wichtig, da ihr Vater durch die Trennung schon auf ihre Mutter verzichten muss und doch findet sie es diesen Monat besonders schlimm, denn ihre große Leidenschaft ist das Tanzen und durch ihre Hilfe auf dem Schiff verpasst sie ein wichtiges Vortanzen. Davon will sie ihrem Vater nichts erzählen, denn sie möchte ihn nicht im Stich lassen. Doch dann trifft sie einen ganz besonderen Jungen.

Ruth hat ein Geheimnis, das aber nicht mehr so lange geheim bleiben wird. Denn sie ist schwanger und der Vater des Kindes hat von heute auf morgen mit ihr Schluss gemacht. Sie hat Angst davor, es ihrer Oma zu sagen aber als diese es dann doch erfahren muss, schickt sie Ruth in ein kanadisches Kloster, in dem sich einiges für die verändert.

Dora ist in armen Verhältnissen aufgewachsen. Ihre Mutter kümmert sich nicht um sie und ihr Vaterist im Gefängnis. Sie flüchtet sich zu Dumplings Familie, die sie liebevoll aufnimmt und hat Angst, dass sie diese Familie bald wieder verlassen muss. Besonders dann, als ihr Vater aus dem Gefängnis entlassen wird.

Hank und seine zwei Brüder flüchten von zu Hause, Ihr Vater ist verschwunden und auch sie halten es dort nicht mehr aus. Als blinde Passagiere gehen sie auf ein Passagierschiff, dass sie von Alaska wegbringen soll. Aber dann passiert etwas, mit dem sie nicht gerechnet hätten.

So geheimnisvoll meine Charaktervorstellungen auch klingen, das müssen sie sein. Sie machen so den Reiz des Buches aus und wie in diesen besonderen Filmen verbinden sich die Lebenswege von allen Charakteren zu einem großen Ganzen, das vom Leser selbst entdeckt werden muss.

Die Thematik: Das Buch lebt nicht von einer tiefgehenden Thematik. Man kann hier Identität und Heimat ebenso aufführen, wie Konflikte innerhalb einer Familie. Aber das Buch hat für mich einen anderen Schwerpunkt. Auf der einen Seite lebt es durch die Charaktere, deren Handlungen sich immer wieder ineinander verweben und schon bald nicht mehr getrennt werden können. Auf der anderen Seite ist dieses Buch ein für mich auf kultureller Seite wichtiges Buch denn wir erleben ein Alaska der 60er Jahre und bekommen einen Eindruck vom Leben dort, den wir so wahrscheinlich nie bekommen würden.

Wieso dieses Buch ein Königskinder Buch ist: Es ist emotional und mehrstimmig und vereint mehrere Lebensentwürfe in einer Kultur, die uns eher unbekannt ist. Das Buch schlägt beim Leser ein und klingt noch ganz lange nach.

Wieso es nicht in eurem Regal fehlen sollte: Ich habe das Buch schon Mitte März gelesen und noch heute habe ich es sehr stark im Kopf. Es geistert durch meine Gedanken und bringt mich immer noch zum Nachdenken. Außerdem ist es für mich ein absolutes Muss in fremde Kulturen einzutauchen. Wer das ebenfalls mag ist hier absolut richtig.

Fazit: Mehrstimmig und absolut wortgewaltig schreibt Bonnie-Sue Hitchcock über das Alaska der 60er Jahre und über junge Protagonistinnen und Protagonisten, deren Schicksale sich auf wundersame Weise verknüpfen. Das Buch hallt noch lange nach und wird mir hoffentlich noch lange im Gedächtnis bleiben. Der Geruch von Häusern anderer Leute ist mein liebstes Buch aus dem aktuellen Programm und hat sich diesen Titel auch wirklich verdient.

Über die Autorin: Bonnie-Sue Hitchcock ist in Alaska geboren und aufgewachsen. Sie war viele Jahre mit ihrer Familie in der Fischerei tätig und zog ihre Kinder auf einem Boot groß. Außerdem arbeitete sie als Reporterin für Alaska Public Radio und war Moderatorin und Produzentin der „Independent Native News” mit Schwerpunkt auf den indigenen Völkern Nordamerikas.

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