Rezension zu "Hardcore Zen" von Brad Warner
Kopie meiner eigenen Amazon-Rezension von 2012
Ich habe mit Punk nichts am Hut, genausowenig mit japanischen Monsterfilmen. Aber ich kann dieses Buch trotzdem zu 100 Prozent empfehlen. Voraussetzung: man muss schon vorher ein bisschen fortgeschritten sein auf dem Weg, den Brad Warner empfiehlt. Wenn er schreibt, dass man "Gott in einem überfahrenen Tier auf der Straße" sehen soll, dann schreibe ich, dass man als Leser lernen muss, Weisheit zwischen Punkerstorys, Kraftausdrücken und Provokationen zu finden. Und Weisheit ist da. Viel davon. Für mich bisher das beste und radikalste Buch zum Buddhismus überhaupt.
Ergänzung (nach dem x. mal Lesen) 2022
Auch wenn ich in meiner Meditationspraxis in den letzten Jahren ziemlich nachlässig geworden bin, dieses Buch lese ich immer wieder gerne, einfach nur weil es sich dahinliest wie ein fröhlicher Roman. Auch wenn der Motivationsschub dann meistens nicht ausreicht, um mich wieder für eine Zeit zum "Hinsetzen und Klappe halten" zu bringen, ein bisschen buddhistische Weisheit kann nie schaden.
Hier ein paar Zitate:
" Die Leute haben Anstoß daran genommen, dass ich eine edle Tradition wie den Zen-Buddhismus mit einer popeligen Möchtegern-Chose wie Punkrock gleichsetze. Zen-Buddhismus ist alt und ehrwürdig. Punk ist Trash. Doch [...] die Punks begriffen, dass sämtliche gesellschaftlichen Einrichtungen und gesellschaftlich gebilligten Kleidungs- und Verhaltenscodes Schwindelei waren. Und das ist einer der ersten Schritte zu wahrem Verstehen. Es ist bedauerlich, dass nicht gerade viele Punks der wahren Bedeutung von Punk wirklich folgten: nämlich der, dass ALL unsere Werte hinterfragt werden müssen. Für gesellschaftliche Minderheiten ist es typisch, die akzeptierten Regeln der gesellschaft zu verwerfen. Doch fast immer endet es damit, dass sie die Regeln, die sie über Bord geworfen haben, einfach durch ein neues Regelpaket ersetzen. [...] Wahre Anarchie muss von ganz tief innen kommen."
"Es ist eine beängstigende Sache, wirklich ehrlich mit sich selbst zu sein. Es bedeutet, dass du niemanden mehr hast, an den du dich wenden kannst, niemanden, dem du die Schuld zuweisen kannst, und niemanden, von dem du dir Erlösung erhoffen kannst."
"Woran liegt es, dass wir unserem Leben, wie es wirklich ist, Hirngespinste vorziehen? Wenn irgendein großartig "erleuchtetes Wesen" uns davon erzählt, wie sein Leben aussieht, warum sollten wir stattdessen nicht solch ein Leben anstreben? Was ist der Unterschied zwischen Wilber*, der uns erzählt, dass er auf ewig frei im Meer des "kein oben und kein Unten" schwebt, und mir, der ich dir von meinem Erlebnis am Sengawa erzähle, und meiner Behauptung, dass es kein wirkliches "Selbst" gäbe? Wenn du wirklich die Antworten zu diesen Fragen wissen willst, musst du dein eigenes Leben eingehend und mit völliger Ehrlichkeit unter die Lupe nehmen. Und du musst es für dich selbst rausfinden."
* Dass Brad Warner kein Fan von Ken Wilber ist, tut mir auch ein bisschen weh. Aber, liebe Wilber-Fans, gebt ihm trotzdem eine Chance!
Kurz: Für Anarchisten und Buddhisten, für Japan- und Godzilla-Fans, und für alle Querdenker: LESEEMPFEHLUNG!