Cover des Buches Der Junge, der es regnen ließ (ISBN: 9783833901522)
Rezension zu Der Junge, der es regnen ließ von Brian Conaghan

Rezension zu "Der Junge, der es regnen ließ" von Brian Conaghan

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 11 Jahren

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 11 Jahren
Familiäre Veränderungen zwingen die englische Familie Curran nach Glasgow/Schottland umzuziehen. Für den sechzehnjährigen, in einer sensiblen Entwicklungsphase stehenden Clem beginnt dort die schwierige Zeit der Neuorientierung und der Integration in eine ihm fremde Schulgemeinschaft. Durch seinen Akzent und seinen intellektuellen Ehrgeiz fällt er auf und wird empfindsam und angreifbar. Die vermeindlich Starken, sie beherrschen die Klaviatur der Angst durch Mobbing und Aggression gleichermaßen bei Schülern und Lehrern, spüren ihr schwaches Opfer auf. Bald schon sieht Clem sich ihren Angriffen schutzlos ausgeliefert, bis es eines Tages zu einer verhängnisvollen, tragisch ausgehenden Begegnung in der Schule kommt. Die recht kurze Erzählung präsentiert sich in zwei Teilen. "Was sie gesagt haben" gleicht kurzen Ich-Form-Interview- oder Zeugenaussagen der Personen aus Clems engem Umfeld (Klassenkamerad, Freundin, deren Mutter, Lehrerin, Lehrer der alten Schule ...), der zweite Teil "Was Clem sagte", drückt seine Sicht der Geschehnisse aus. Die Wahrheit liegt irgendwo zwischen diesen Statements oder im gegenseitigen Missverständnis. Die Sichtweisen des ersten Teiles wirken banal und lassen kaum solide Rückschlüsse auf das Drama und die Ursachen dafür zu. Eine nur oberfächlich anmutende Annäherung an das Thema Gewalt an Schulen. Auffällig fand ich das Fehlen einer Aussage von Clems Eltern, die in diesem explosionsgeladenen Beziehungsgeflecht eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Deutlich interessanter ist der zweite Teil, der die bis zu diesem Punkt vorherrschende emotionale Distanz zur Hauptperson verkürzt und endlich scheinbar chronologisch korrekt einen Tatablauf schildert. Dem tragischen Ende unangemessen, sind alle Berichte flach und lapidar erzählt und es ärgert auch die beabsichtigte Fehleinschätzung des Motivs, bzw. der psychischen Voraussetzungen. Es hätte unbedingt auch im ersten Teil die Tat selbst verbalisiert werden müssen, um glaubhaft zu sein, doch das hätte das Ende vorweg und die Spannung heraus genommen. Der Autor, selbst Lehrer, erzählt nicht wirklich Neues. Wir lernen die schottischen NEDs (Non Educated Delinquents) kennen, eine gewalttätige hooliganähnliche Randgruppe, die es so oder anders all over the world gibt. Gewalt und Mobbing sind traurige Gegenwartsprobleme nicht nur im Schulalltag, denen mit dieser Erzählung nur unzureichend argumentativ beizukommen ist. Fast hat es den Anschein, als hätte Brian Conaghan eine Diskussionsgrundlage für seinen Unterricht verfasst: Einerseits intellektuell bis arrogant (Clem), aber auch anbiedernd bis ordinär. Markennamen, Bandnamen, Musik, Styles ..., tja, wie reden denn nun ältere Teenager? Vieles kann hier leicht falsch interpretiert werden (das Motiv sehen die meisten Leser vermutlich eher als opferverschuldete Notwehr), alles bleibt vage und unspezifisch. Die Hintergründe und Ursprungssituationen der mitleidslosen Schlägergangs werden überhaupt nicht hinterfragt, doch findet sich auf dieser Seite weit mehr Zündstoff. Die Sichtweise im Buch ist ebenso fehlerhaft einseitig, wie die falsche Pauschalerklärung der Medien, Gewaltspiele seien ursächlich für real amoklaufende Jugendliche verantwortlich. Ungelenke, schlecht übersetzte Sätze, konstruiert möchtegernvariantenreiche Überschriften und fehlende Dialoge torpedieren die Glaubwürdigkeit, schaffen ungewollte Distanz. Die Tat selbst bleibt nebulös, der Autor rettet sich in Ein- bis Dreiwortsätze. Die Vorgeschichte soll Verständnis wecken, den Blick schärfen, erklären, warnen und die Erzählung tragen, bleibt jedoch bedauerlicherweise im bekannten Klischee stecken. Als Unterrichtsstoff ist das Buch vielleicht bedingt geeignet, aber ein herausragender Jugendroman ist in meinen Augen hier leider nicht gelungen. (T)
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