Cover des Buches Ausgeweidet (ISBN: 9783943121384)
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Rezension zu Ausgeweidet von Brigitte Lamberts

Mutiges Erstlingswerk – absolut lesenswert!

von andreas_kriminalinski vor 10 Jahren

Kurzmeinung: Authentisch dargestelltes Krimi-Debüt, das auf faszinierende Weise aus der Schar der Neuerscheinungen positiv heraussticht.

Rezension

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andreas_kriminalinskivor 10 Jahren
Die Schlagzeile zu „Ausgeweidet“ könnte lauten: Mit Beharrlichkeit und einer Portion Glück gelingt dem Kommissar und seinem Team die gleichsam schwierige wie verblüffende Aufklärung eines perfiden Mordfalls.

Der Inhalt des Kriminalromans in aller Kürze:

Ein Jogger wird erschossen, ausgeweidet und entmannt im Grafenberger Wald in Düsseldorf gefunden. Die Identität des Opfers ist zwar schnell geklärt, doch ein Unwetter hat viele Spuren des Täters beseitigt. Trotz umfangreicher Ermittlungen gerät die Aufklärung des Falls ins Stocken, sodass der Kommissar mit den Methoden der Fallanalyse die Handschrift des Täters zu entschlüsseln sucht. Der Regionalkrimi zeigt nicht nur die authentische, kriminalistische Fallbearbeitung, bei der der Leser dem Kommissar und seinem Team über die Schultern schaut, sondern behandelt ein Thema, das aufgrund seiner unfassbaren Grausamkeit tief unter die Haut geht.

Meine persönliche Wertung:

Wer Krimis mag, die realistische Polizeiarbeit zeigen und ohne „Cobra-11“-Akkrobatik oder „Charlotte-Lindholm-konterminiert-im-Alleingang-den-Tatort-denn-ein-weißer-Overall-steht-ihr-nicht“-Gaukelei auskommen und dennoch eine spannende Geschichte erzählen, wird diesen Krimi lieben! Todsicher. Das Buch zeigt ungefärbt den echten Berufsalltag bei einer Mordermittlung. Das Detailwissen des Autorenduos wirkt dabei keine Spur zu dozierend.

Kurze Kapitel sowie eine einfache Sprache in knappen Sätzen, von denen jeder einzelne perfekt sitzt, ermöglichen eine hohe Erzählgeschwindigkeit. Kurzweil und gute Unterhaltung sind das Ergebnis, obschon ein weiterer Handlungsstrang der Geschichte gut getan hätte. Die Erzählung ist geradlinig – nach Prolog und Leichenfund wechseln Zeugenbefragungen und Besprechungen im Ermittlerteam, ehe es zur Aufklärung des Falls kommt. Insoweit folgt sie dem klassischen Muster eines Ermittlerkrimis. Klassisch sind auch Prolog und Epilog, die einen spektakulären Rahmen bieten und die barbarischen Abgründe des Falls beschreiben.

Die Situationen, in denen sich das Ermittlerteam immer wieder austauscht, helfen nicht nur den Kriminalbeamten, „auf der Spur“ zu bleiben, sondern auch dem Leser, die Orientierung im Fall beizubehalten. Wobei die Autorinnen mit weit über 40 Namen bzw. Figuren im Roman des Lesers Namensgedächtnis gut auf Trapp halten. Gut im Gedächtnis bleiben mir auf jeden Fall die beiden Protagonisten – die KHK Clemens von Bühlow und Maria Esser. Wo andere Subgenre-Krimis aufgrund reichlicher Action die Tiefenschärfe der Figuren vernachlässigen, lernt man in „Ausgeweidet“ die beiden Kommissare auch persönlich ein wenig kennen. Und man findet sie auf Anhieb sympathisch. „Sie verstehen sich gut“, beschreiben die beiden Autorinnen nicht nur, sondern lassen ihre Protagonisten auch entsprechend handeln. Mal ist es eine kollegiale Frotzelei (wenn Clemens beispielsweise mal wieder Umwege durch Düsseldorf fährt), mal sind es gemeinsame Mahlzeiten, bei denen man das Nützliche mit dem Angenehmen verbindet. Dass solche Situationen zunächst noch ein wenig oberflächlich wirken, mag daran liegen, dass es sich bei dem Kriminalroman um das Erstlingswerk des Autorenduos Lamberts/Reiter handelt. Aber keineswegs, weil es handwerklich schlecht wäre – das Gegenteil ist der Fall –, sondern weil der Schwerpunkt der Erzählung auf dem Fall liegt. Ich bin sicher, dass diesem gelungenen Debüt noch weitere von Bühlow/Esser-Krimis folgen werden und man so die Möglichkeit haben wird, die Protagonisten besser kennenzulernen.

Doch was macht dieses Erstlingswerk so mutig? Haben die beiden Autorinnen Mut bewiesen, als sie einen weiteren Regionalkrimi aus Düsseldorf vorlegten? Vielleicht auch, aber viel mutiger finde ich es, dass sie ihrem Protagonisten Clemens von Bühlow Irrwege und Sackgassen, falsche Ermittlungsergebnisse und bisweilen auch persönliche Unsicherheiten zugestehen. Wie im echten Polizeialltag häufig, so kommt auch hier im Roman Kommissar Zufall zu Hilfe. DAS ist es im Kern, was die Authenzität dieses Krimis ausmacht! Von Bühlow ist zwar erfahrener Kripo-Beamter, aber auch (noch) Mensch. Und beide können Fehler machen. Ich finde es sehr mutig und ausgezeichnet gelungen, die Hauptfigur nicht zum unfehlbaren Superermittler zu stilisieren – wie es leider allzu häufig bei Jungautoren vorkommt –, sondern durch die Fehlbarkeit des Kommissars einen ungeschönten, aber authentischen Blick hinter die Kulissen der Ermittlungsarbeit zu gewähren. Alles echt eben.

Mein Fazit:

Dem Autorenduo Lamberts/Reiter aus Düsseldorf gelingt mit „Ausgeweidet“ ein temporeiches, authentisch dargestelltes Krimi-Debüt, das auf faszinierende Weise aus der Schar der Neuerscheinungen positiv heraussticht.

Für den Mut, den die beiden Autorinnen bewiesen haben, vergebe ich das volle Magazin an Punktzahl. Und zusätzlich sechs Schuss in die Hand, für alle Fälle …

© Andreas Kaminski („Kriminalinski“), Cloppenburg 2014
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