Cover des Buches Marlenes Geheimnis (ISBN: 9783453292055)
Rezension zu Marlenes Geheimnis von Brigitte Riebe

Erzählte Geschichte in Form eines Generationenromans

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 6 Jahren

Kurzmeinung: Ein Generationenroman über starke Frauen im Kontext mit geschichtlichem Hintergrund

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 6 Jahren

„Die Vergangenheit verlierst du nie. Aber wenn du heute nicht lebst, dann wirst du auch die Zukunft verlieren.“ (Zitat Eva)

Christiane (Nane) Auberlin ist 34 Jahre alt, lebt in Frankfurt und arbeitet als Pharmavertreterin. Als ihre Großmutter Eva Auberlin stirbt, reist sie zum Begräbnis nach Rickenbach im Bodenseegebiet. Das 1898 erbaute Auberlinhaus, die Apfelplantagen, die bekannte Schnapsbrennerei der Familie sind für Nane untrennbar mit ihren Großeltern und der Kinderzeit verbunden. Später kam es zum Bruch zwischen ihrer Mutter Vicky und ihrer Schwester Marlene, Nanes Tante, die inzwischen 77 Jahre alt ist.

Während ihre Mutter sofort nach dem Begräbnis wieder abreist, bleibt Nane bei Tante Marlene. Diese übergibt ihr ein verschlossenes Kuvert, in dem sich ein dickes Notizbuch und ein Brief ihrer Großmutter befinden. Es ist ein Tagebuch und beginnt 1938. Eva, fast elf Jahre alt, schreibt über ihr Leben in Reichenberg, ihre Eltern Fritz und Julika Menzel.

Während Nane während nächtlicher Lesestunden Evas Geschichte, ein Leben der Gefahr, Flucht, Neuanfänge, liest, überdenkt sie ihr eigenes bisheriges Leben und beginnt, über mögliche neue Wege nachzudenken.

Doch so einfach ist das nicht, das Tagebuch enthüllt auch Familiengeheimnisse, wirft neue Fragen auf, die es zu klären gibt. Wird es einen Neubeginn für Nane und eine Versöhnung für Vicky und Marlene geben?

Auch wenn die Personen des Romans, abgesehen von aus der Geschichte bekannten Persönlichkeiten, fiktiv sind, die geschilderten Ereignisse sind es nicht. Das Massaker von Lidice am 10. Juni 1942, bei welchem ein gesamtes Dort vernichtet und die Einwohner bis auf einige wenige Kinder ermordet wurden, ist Tatsache. Auch die Benes-Dekrete und die damit verbundene Geschichte der Vertreibung und Aussiedlung der Sudentendeutschen sind historische Fakten.

Auch die Schauplätze dieses Generationenromans gab und gibt es wirklich, die Gegend um Rickenbach-Salem, Region Bodensee, ist bekannt für die Obstplantagen und die alten Familienunternehmen, die feine Edelschnäpse herstellen.

Die Geschichte ist in der Erzählform der dritten Person geschrieben und spielt auf zwei Zeitebenen. Das Tagebuch mit der Hauptprotagonistin Eva und später auch Marlene „Leni“ umfasst die Jahre 1938 bis 1953. In der Jetztzeit geht es vor allem um Nane. Die Kapitel wechseln zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart, dadurch wird auch Spannung erzeugt.

Auch wenn Männer eine wichtige Rolle in der Geschichte spielen, es geht hauptsächlich um die Schicksale der drei Frauen Eva, Marlene und Nane, verbunden im Laufe der Handlung mit ihnen nahestehenden Frauen.

Eva wird durch die Ereignisse früh aus der Kindheit in eine Rolle mit Verantwortung gedrängt, die sie, obwohl manchmal verunsichert, immer annimmt und nie aufgibt. Gerade dadurch, dass sie keine perfekte Heldin ist, gewinnt sie die Sympathie der Leser.

Interessant ist der Charakter Marlene, zuerst verschlossen auch ihrer Nichte Nane gegenüber, ist sie im Grunde eine kluge, herzliche Frau und das enge Band, das sich zwischen Marlene und Nane entwickelt, ist nachvollziehbar und man freut sich mit diesen beiden Frauen. Vicky bleibt im Hintergrund, was sich aber auch aus ihrer Lebenseinstellung erklärt.

Nane, anfangs trotz ihrer 34 Jahre in Bezug auf sich selbst etwas unsicher wirkend, scheint Kraft aus dem Tagebuch ihrer Großmutter und der Geschichte ihrer Familie zu schöpfen. So wird sie bereit, auch für sie wichtige Entscheidungen zu treffen.

„Vielleicht ist aber das, was du gerade erlebst, auch nur etwas, das vielen Menschen irgendwann in der Lebensmitte zustößt: Man hält inne, freiwillig oder gezwungenermaßen, zieht Bilanz und merkt plötzlich, dass man irgendwo falsch abgebogen sein muss.“ (Zitat, Marlene zu Nane).

Nicht so gut gefallen mir die zahlreichen Hinweise (hints), die von der Autorin besonders in den ersten Kapiteln des Buches gesetzt werden. „Dem Laden fehlt die Seele“, zum Beispiel. Hier scheint die Autorin die Leserschaft etwas zu unterschätzen, denn abgesehen vom etwas rasch zusammengemischten Ende ist die Entwicklung der beiden Geschichten nachvollziehbar und die Zusammenhänge erkennbar. Ich hätte mir auch beim Wechsel zwischen dem Tagebuch der jungen Eva und der Gegenwart auch einen deutlichen Wechsel in der Sprache gewünscht. Die verliebte sehr junge Eva schreibt ihre Gedanken natürlich schwärmerisch nieder, aber zu der 34 Jahre alten Nane passt das für mich nicht.

Insgesamt jedoch ein sehr gut recherchierter Generationenroman über starke Frauen, die sich Ereignissen stellen müssen, dass sie sich so nicht ausgesucht haben. Sehr sympathische Protagonistinnen, eine gut und flüssig zu lesende Sprache, eine interessante, packende Geschichte und damit ein aus meiner Sicht absolut empfehlenswertes Buch.


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