Cover des Buches Inventurdifferenz (ISBN: 9783552062276)
Bella5s avatar
Rezension zu Inventurdifferenz von Britta Mühlbauer

It's a man's world

von Bella5 vor 11 Jahren

Kurzmeinung: Dieser Roman hat mich aus meinem Lesetrott gerissen. Sprachlich und stilistisch erste Sahne. Man wird herausgefordert, kommt ins Grübeln.

Rezension

Bella5s avatar
Bella5vor 11 Jahren
Mein Resümee:

Dieser Roman hat mich aus meinem Lesetrott gerissen. Sprachlich und stilistisch erste Sahne.

Man wird als Leser herausgefordert & zum Nachdenken angeregt.


Klappentext:

Marlies Wolf, wehrhafte Mitarbeiterin einer Security-Firma in Wien, möchte unbedingt im Personenschutz arbeiten, doch zunächst muss sie in einem Baumarkt nach Ladendieben jagen. Allein mit sich und ihrer Wut auf die Welt trifft sie zufällig ihre frühere Freundin Valerie wieder, um die sie und Alex, eine weitere Figur aus ihrer Kindheit, sich nun bemühen. Durch Alex wird Valerie in die Machenschaften von Mädchenhändlern verwickelt und fällt nach einer brutalen Attacke, bei der sie als Zeugin beseitigt werden soll, ins Koma. Außer sich vor Hass greift Marlies zur Selbstjustiz. Dieser Thriller aus Österreich erzählt die Geschichte einer Frau, die an ihre Grenzen geht - und darüber hinaus.

Einblick in den Text:

" '
Ich kenne mich ja mit der Universität nicht aus', sagte Dragica zu mir, 'aber ich weiß, dass es ein Fehler ist, aus Eigensinn alles hinzuwerfen'. Sie redete Hanna zu, sich die Sache zu überlegen. Doch Hanna blieb stur.

' Dann gehen Sie eben an eine andere Universität', sagte Dragica. Hanna lachte sie aus. Im akademischen Betrieb sei sie erledigt, sagte sie. Dafür sorgte das Netzwerk der alten Männer. [...]"

(S. 302)

Mein Fazit:

Ein starkes Stück Literatur.

Wirklich originell (obwohl man bei der Figur Marlies zuerst an Lisbeth Salander denkt), tiefsinnig und vor allem sprachlich grosse Klasse. Tolle Bilder und Metaphern, und die Austriazismen (Tschick, Trafik, Maturanten ...) machen das Ganze glaubwürdig und lebensnah.

Auch die Figuren bleiben nicht blaß - die Protagonistinnen Hanna und Marlies sind "rund" und gut ausgearbeitet, aber auch die Nebenfiguren (wie etwa Kneipenwirtin Dragica) konnten mich überzeugen.

Die message ist eine, die Gendergerechtigkeit einfordert, manche
Leser würden es wohl als "Feminismus" klassifizieren. Die männlichen Figuren im Roman sind zumeist negativ konnotiert.

Die Autorin zeigt dabei Mechanismen von Unterdrückung und Gewalt auf, die durch Marlies Wolf quasi personifiziert werden.
Leider ist sie durch ihre Vorgeschichte zur anti-sozialen Figur mutiert, die keinerlei Liebe erhält, die in Hanna so etwas wie ihre Mentorin erblickt.

Wer hier auf subtile Andeutungen hofft, der wird enttäuscht werden.
Konsequenterweise kommt es zum Gewaltexzess, was aber, wenn man der Geschichte folgt, nur eine logische Folge ist.

Das Spannungsniveau variiert, und ein "psychologischer Thriller mit Gänsehauteffekt" (Buchrücken) ist es nicht, da vieles offensichtlich und nicht verborgen ist.
Wer Angst vor einer feministischen Lehrschrift hat, der sei beruhigt - der Feminismus beschränkt sich auf Phrasen, Schlagworte, die bekannte Wahrhol - Attentäterin & Sartres Partnerin und schrammt zuweilen haarscharf am Klischee vorbei.

Über wirklich gute Bücher denkt man nach, man "reibt" sich am Gelesenen.

Die Farbe Orange steigt dabei in den Rang eines Leitmotivs auf, mehr sei an dieser Stelle nicht verraten.

"Inventurdifferenz" ist sicher ein Roman, der polarisiert. Trotzdem (oder gerade deswegen) ist es ein absolut lesenswertes Buch.
Angehängte Bücher und Autor*innen einblenden (2)

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks