Rezension zu "Der Beeinflussungsapparat" von Brooke Gladstone
Die „Lügenpresse“ geistert seit längerem durch die Republik. Seltsam, denn für mich war das, indoktriniert durch Elternhaus, Günther Wallraff und soziales Umfeld, immer das schmierige Blatt mit den vier fettgedruckten Buchstaben. Die Anal – Alphabeten Zeitung wie wir sie nennen. Mittlerweile werden Nachrichten via Facebook kolportiert, deren Wahrheitsgehalt nicht selten sehr fragwürdig ist. Zumindest erfahre ich im nachbarschaftlichen Klatsch & Tratsch abstruse bis absurde News, die wohl dort durch die Community in den sozialen Medien viral aufgebauscht und verbreitet werden.
Brooke Gladstone & Josh Neufeld haben eine wunderbare Graphic Novel zu diesem Thema
„Wie Massenmedien funktionieren, wie sie unsere Gesellschaft manipulieren und wie wir dazu beitragen“ kreiert.
Dank Comickunsts Besprechung wurde dieses von CORRECT!IV herausgegebene Werk sofort angeschafft. Ursprünglich um das Wissensspektrum der Comic affinen Söhne zu pimpen, letztendlich wurde meines auch verbessert.
Brooke Gladstone, amerikanische Journalistin, referiert unterhaltsam über den „Drang“ eines Reporters indem sie Anna Quindlen – Pulitzer Preisträgerin und Autorin – zitiert: „Reporter, das ist genauso eine Diagnose, wie eine Jobbeschreibung.“
Gladstone ist sozusagen ein Informationsmedium – Wallraff durch die Epochen des Journalismus bis in die Gegenwart.
Sie nimmt unseren Hunger nach Objektivität ins Visier, der von uns selbst durch die Wahl unserer Medien konterkariert wird, indem wir uns selten, wenn überhaupt aus unserer Medienwohlfühlzone hinaus begeben. Ihrer These zufolge kontrollieren uns die Medien nicht, sie biedern sich uns an.
Den Titel gebenden Beeinflussungsapparat hat übrigens Victor Tausk ein Freud Schüler entdeckt und benamst.
Den Leser erwartet eine Entdeckungsreise durch Geschichte und Zeit des Publizismus / Journalismus. Anfangs durch mündliche Überlieferung (Homer) später nach Erfindung der Schriften in Stein gemeißelt (Mayas). Printmedien gab in es Europa bereits Anfang des 17. Jahrhunderts. Schlicht und übersichtlich, dreifarbig illustriert von Josh Neufeld – Brooke taucht auch immer wieder in den Zeichnungen auf (ein wenig wie bei Wo ist Walter? ) – sie kruschtelt herrliche Anekdoten hervor – die logischerweise alle dem engl. sprachigen, US- amerikanischen Raum zuzuordnen sind – welche anschaulich und nachhaltig die Untersuchung der Medien und ihrer Einflussnahme untermalen. Das ganze ist frech, respektlos, spritzig und ausführlich informativ aufgebaut. Behandelt werden u. a. die Vorurteile welche uns unbewusst steuern, die Probleme der „objektiven“ Kriegsberichterstattung, Falschmeldungen, Transparenz der Quellen und Recherchen und Brooke wagt am Ende einen Blick in eine neue Medienzukunft.
Witzig auch, wie Neil Postmans Medienschelte, in welcher er beklagt, dass die Zeit des Gedruckten nun vorbeigeht zitiert wird und, ihr gegenübergestellt, nur einhundert Jahre zuvor gedruckt, im gleichen aufgeregt warnenden Duktus eine Warnung davor die Kinder Bücher lesen zu lassen: „Nur dumme Eltern überfordern die Hirne ihrer Kinder mit komplexen und vielfältigen Studien … Die Schäden sind überall zu beobachten. Bald schon werden überforderte Mädchen in den Irrenhäusern zu finden sein“ … wird vor den schlimmen Folgen des Lesens, besonders für Mädchen gewarnt.
Hochinteressant, weil es um unsere Berichterstattung und Skandale geht, ist für europäische und deutsche Leser das Nachwort von David Shraven dem Herausgeber von Correctiv der sich der Entwicklung der Printmedien im europäischen, deutschsprachigen Raum widmet und eine Brücke schlägt zwischen der Berichterstattung des 30 jährigen Krieges und der Gegenwart. Wie Brooke Gladstone kommt er zum selben Schluss: