Rezension zu "Geheimsache Reichsbahndampf" von Burkhard Wollny
Bildband, Krimi und Zeitgeschichte - all das und viel mehr lässt sich in diesem Buch finden. Auch wenn die durchweg gelungenen Dampflokfotos ihren Teil zum Gesamtwerk beitragen, handelt es sich hier eher um eine kommentierte Stasiakte mit Hintergrundgeschichten. Denn in einer Zeit, in der nichts unpolitisch sein durfte, erst recht keine Einreise aus dem kapitalistischen Ausland, bemühte der Staatsapparat geradezu lächerlich akribisch seine Kräfte um Eisenbahnfans auszuspähen und diese in Verbindung mit organisierter Spionage zu bringen.
Keine fiktive Geschichte könnte das toppen, was "Major Ansorge" und Genossen zu Protokoll gaben und mit welchem Aufwand die "Subjekte" beobachtet wurden. Austricksen ließ sich die Staatsmacht ungern und bemerkte entsprechend pikiert, dass sich bei Gruppenbesuchen in der DDR stets einer der Eisenbahnfreunde umdrehte und vorbeilaufende Passanten anlächelte oder kritisch den Verkehr beobachtete. Spionagefotos aus der Akte ergänzen die schier endlosen Schreibmaschinendokumente, die Burkhard Wollny mit passenden Anekdoten, Hintergrundinfos und eigenen Beobachtungen unterfüttert.
Denn die Eisenbahnfans blieben keinesfalls wehrlos. Auf Bildern offizieller Eisenbahnevents und Sonderfahrten im Osten findet sich mancher mehr schlecht als recht getarnter Stasi-Beobachter im Publikum. Richtig spannend wird es im letzten Kapitel, in dem Stephan Franz, Peter Engelbrecht und Burkhard Wollny nach der Wende auf die Suche nach ihren ehemaligen "Betreuern" gehen und vereinzelt auch fündig werden. Verantwortung für die Spionage will da keiner mehr übernehmen, doch der Blick auf die Rechtfertigung einstiger Systemdiener spricht für sich. Genauso wie übrigens die Aktivitäten gewisser westdeutscher Behörden, denen die häufigen Reisen in die DDR zuweilen gleichermaßen verdächtig vorkamen ...
Schade nur, dass bei der vorliegenden Neuausgabe zwar ein den Bildern und Dokumenten gerecht werdendes Format gewählt wurde, doch die Rechtschreibung noch immer auf dem Stand der Erstausgabe ist. Satzfehler wie doppelt eingefügte Halbsätze, verschobene Satzzeichen oder fehlende Worte verderben die Lesefreude an einigen Stellen.