Rezension zu "Das Alphabet der Puppen" von Camilla Grudova
Auf der Frankfurter Buchmesse bin ich in der Kanada-Halle über dieses Buch gestolpert - ist das Cover nicht einfach fantastisch? Ich bin gleich hängen geblieben und war davon (und dem Titel) so fasziniert, dass ich mir die Leseprobe geholt und sofort gemerkt habe: Das ist genau mein Ding.
Das Buch beinhaltet 13 Kurzgeschichten zwischen einem Satz bis rund 30 Seiten. Alle Kurzgeschichten sind unabhängig und haben nichts miteinander zutun, teilen auch keine gemeinsame Welt miteinander. Trotzdem sind sie nicht nur von der düsteren Grundstimmung und der Logik, sondern vor allem durch immer wieder verwendete und allgegenwärtige Leitmotive wie Konservendosen, Meerestiere (vor allem Meerjungfrauen), Nähmaschinen, Masken und vieles mehr, miteinander verbunden. Auch bestimmte Grundthemen treten immer wieder auf: So verspüren die meisten Frauenfiguren einen Kinderwunsch, leben unglücklich in altmodischen Klischees und haben einen unbefriedigenden Job und eine unglückliche Beziehung, die Männerfiguren sind oft kränklich, alt oder schmächtig, fast alle Figuren sind arm und leben in einer dystopischen, von einer Macht unterdrückten Welt. Die Geschichten sind dabei zeit- und oft raumlos, manche Figuren sogar namenlos.
Mit viel Witz (man muss für den Humor offen sein), einem fast bitterbösen Scharfsinn (hier muss man auch offen für explizit sexuelle und teilweise eklige Beschreibungen sein) und einer gewissen dystopischen Tristesse kreiert die Autorin kurze Geschichten, manchmal ohne einen großen Sinn oder auch teilweise fantastisch.
Jetzt noch explizit zu den Geschichten: Meine Favoriten waren „Auftrennen“, das eine unglaubliche starke feministische Botschaft hat und trotz seiner Kürze einfach rund ist, sowie „Wachsig“, das mich total an „Der Prozess“ von meinem Lieblingsautor Franz Kafka erinnert hat und vermutlich am ehesten „erzählartigen“ Inhalt besitzt. Aber ich habe wirklich alle Geschichten gerne genossen und gelesen.
Wer meine Begeisterung in dieser Rezi nachvollziehen kann, wer für die oben genannten Punkte offen ist und mal Lust auf etwas skurril-dystopisch-explizites hat, dem lege ich diesen Novellenband unbedingt and Herz! Für mich ein neues Lieblingsbuch.