Auf „Marigold- Gegen den Wind“ bin ich über Instagram aufmerksam geworden, als ich den liebevoll gepflegten Account der Autorin Camilla Warno gefunden habe. Camilla hat vor „Marigold“ schon mehrere andere Liebesromane veröffentlicht, die in der Wikingerzeit, dem Hochmittelalter und der Gegenwart spielen, doch „Marigold“ ist ihr erster literarischer Ausflug ins 18. Jahrhundert, eine Zeit, die es mir nicht erst seit „Outlander“ angetan hat. Doch neben der interessanten Epoche hat Camilla auch einen faszinierenden Schauplatz für ihr Buch gewählt, nämlich die kanadischen Kolonien, in denen es zu der Zeit noch recht rau zugeht. Als ich dann auch noch gesehen habe, dass Camillas Roman genremäßig irgendwo zwischen Abenteuergeschichte und Liebesroman angesiedelt ist, stellte sich mir die Frage, ob ich das Buch nun lesen sollte oder nicht, gar nicht mehr. Schnell habe ich es mir bestellt und innerhalb weniger Tage verschlungen.
Das lag vor allem an der Protagonistin Marigold Clayton, die mir schnell ans Herz gewachsen ist. Camilla hat es sehr schön geschafft, ihre Charakterentwicklung von einer verwöhnten Londoner Kaufmannstochter, die ihre Kenntnisse über „die Welt da draußen“ aus Romanen bezieht hin zu einer abenteuerlustigen, mutigen jungen Frau, die sich mit einer Gruppe Trapper durch die Wildnis schlägt, darzustellen. Dabei ist sie keineswegs die perfekte Heldin, die einen vollkommen durchdachten Plan im Gepäck hat. Sie zweifelt und ist hin- und hergerissen zwischen dem monotonen, aber auch behüteten Dasein in London, das sie kennt und dem Leben in der kanadischen Wildnis, das voller Gefahren ist, sie aber letztendlich viel glücklicher machen kann.
Daran ist der junge Trapper Kieran Black, der Marigold bei ihren Abenteuern zur Seite steht und in ihr ungeahnte Gefühle weckt, nicht ganz unschuldig. Kieran ist ein Idealist, der darauf hofft, das Monopol der mächtigen, doch oftmals auch brutal agierenden Hudson’s Bay Company auf den kanadischen Pelzhandel zu brechen. Um an sein Ziel zu kommen, ist Kieran zu vielem bereit und handelt einige Male auch impulsiv und aus dem Bauch heraus. Mit diesem starköpfigen Idealismus hat er mich zwischenzeitlich sehr an Ross Poldark erinnert. Doch Kieran kann nicht nur unglaublich stur, sondern auch liebevoll und witzig sein. Er ist kurzum einfach der perfekte Held für eine Geschichte wie „Marigold“.
Camilla Warno schafft es gekonnt, die Liebesgeschichte zwischen Marigold und Kieran in die Haupthandlung einzuflechten und Spannung zu erzeugen. Das liegt vor allem an den vielen unerwarteten Wendungen, die ich nun wirklich nicht erwartet habe, aber auch daran, dass sie es schafft, eine unterschwellig bedrohliche Atmosphäre zu erzeugen. Da sind Marigolds Eltern und ihr Onkel, die Marigold um jeden Preis in eine Ehe mit einem älteren, gut situierten Mann treiben wollen und die über allem schwebende Ungewissheit, was mit Kieran passiert ist, nachdem Marigold und er an einem Punkt der Geschichte auseinander gerissen wurden. Zudem wimmelt es in der Geschichte nur so von Geheimnissen, die erst nach und nach gelüftet werden. Als Leser*in möchte man unbedingt wissen, wie es weitergeht und das Buch entwickelt spätestens ab der Hälfte so einen Sog, dass man es gar nicht mehr aus der Hand legen möchte.
Ein weiteres großes Plus der Geschichte besteht für mich darin, dass Camilla Warno die historischen Hintergründe ihrer Geschichte meisterhaft recherchiert hat. Dabei hat sie nicht nur auf den kanadischen Pelzhandel und die Hudson’s Bay Company konzentriert, sondern auch unglaublich viel über das Alltagsleben Mitte des 18. Jahrhunderts zusammengetragen. All diese Informationen integriert sie mühelos in ihren Roman, ohne, dass man das Gefühl hat, von Fakten erschlagen zu werden. Stattdessen erweckt sie mit den historisch korrekten Beschreibungen von Sitten, Gebräuchen, Kleidung und so alltäglichen Dingen wie Essen und Fortbewegungsmitteln Marigolds Zeit vor dem inneren Auge der Leser*innen zum Leben.
Der einzige Punkt, bei dem ich ein wenig- aber auch nur ein wenig- Kritik habe, ist der Schreibstil. Und hier meckere ich wirklich auf allerhöchstem Niveau. Camilla Warno bemüht sich durchweg um eine elegante, gehobene Sprache, wie sie zu einem historischem Roman wie „Marigold“ passt. An vielen Stellen ist ihr das Spiel mit antiquiertem Vokabular auch schon gut gelungen, doch in einigen Partien des Romans klingen die Sätze noch etwas gestelzt und wenig natürlich. Aber ich weiß selbst, wie schwierig es ist, anders zu schreiben, als man es intuitiv tun würde und sich einen altmodischen Schreibstil anzueignen.
Im Großen und Ganzen fällt dieser kleine Kritikpunkt für mich also wenig ins Gewicht. Von „Marigold- Gegen den Wind“ werden mir vielmehr die vielschichtigen, sorgfältig entwickelten Protagonisten Marigold und Kieran und die vielen gekonnt in die Geschichte integrierten historischen Fakten im Gedächtnis bleiben. Alle, die Abenteuergeschichten oder historische Liebesromane mögen, sollten nicht zögern, sich „Marigold“ zu besorgen.