Carel van Schaik

 4,2 Sterne bei 10 Bewertungen
Autor*in von Das Tagebuch der Menschheit, Die Wahrheit über Eva und weiteren Büchern.

Lebenslauf

Carel van Schaik, geboren 1953 in Rotterdam, ist Verhaltensforscher und Evolutionsbiologe. Er erforscht die Wurzeln der menschlichen Kultur, Kooperation und Intelligenz bei Menschenaffen und hat viele Jahre im Dschungel Indonesiens Orang-Utans beobachtet. Er war Professor an der Duke University in den USA und Professor für biologische Anthropologie an der Universität Zürich, wo er als Direktor dem Anthropologischen Institut und Museum vorstand. Carel van Schaik ist korrespondierendes Mitglied der Königlich Niederländischen Akademie der Wissenschaften und Fellow der Max-Planck-Gesellschaft. Er lebt in Zürich. Mit Kai Michel schrieb er die Bestseller ›Tagebuch der Menschheit‹, ›Die Wahrheit über Eva‹ und ›Mensch sein‹.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Carel van Schaik

Cover des Buches Das Tagebuch der Menschheit (ISBN: 9783499631337)

Das Tagebuch der Menschheit

 (5)
Erschienen am 17.11.2017
Cover des Buches Die Wahrheit über Eva (ISBN: 9783499000546)

Die Wahrheit über Eva

 (4)
Erschienen am 16.08.2022
Cover des Buches Mensch sein (ISBN: 9783498003272)

Mensch sein

 (1)
Erschienen am 17.10.2023

Neue Rezensionen zu Carel van Schaik

Cover des Buches Mensch sein (ISBN: 9783498003272)
Martina_Vormanns avatar

Rezension zu "Mensch sein" von Carel van Schaik

Die Hilfe des weiten Blickwinkels
Martina_Vormannvor 6 Monaten

Ich habe den Titel als Hörbuch kennengelernt und habe mir danach die Printausgabe besorgt. Das Hörbuch habe ich inzwischen mindestens dreimal gehört, in Teilen noch öfter.


Aber warum? — Was hat mich an diesem Buch gefesselt?


Einerseits ist es der Bezug auf Evolution und Archäologie, andererseits ist es die Perspektive auf unser gegenwärtiges Leben, unsere gesellschaftlichen Strukturen und religiösen Praktiken. 


Den Autoren gelingt es schlüssig darzustellen, wie kurz der Zeitraum unserer überlieferten Geschichte im Vergleich zur gesamten Evolution des Menschen ist. Diese Kürze der Zeit, die überlieferte Geschichte, macht im Vergleich zur gesamten menschlichen Entwicklung weniger als 1% der Menschheitsentwicklung aus! Über 99% der menschlichen Entwicklung lebten Menschen in kleinen, egalitären Gruppen als Jäger und Sammler. Diese Tatsache hatte starken Einfluss auf unsere Entwicklung. Die Autoren arbeiten in ihrem Buch die Konsequenzen für unser heutiges Leben, Lebensgefühl und unsere Sozialstrukturen klar heraus.


Ein höchst spannendes und informatives Buch, das — nicht zuletzt — durchaus bedenkenswerte Impulse für unser gegenwärtiges Zusammenleben  liefert. Mich hat es schließlich zu meinem Buch „Nurmi und der Klang des Kosmos“ inspiriert, in dem der 10-jährige Wolfgang eine Reise durch die menschliche Evolution und Archäologie unternimmt.

Cover des Buches Die Wahrheit über Eva (ISBN: 9783499000546)
M

Rezension zu "Die Wahrheit über Eva" von Carel van Schaik

Die Wahrheit über das Patriarchat
Maika_Adamvor 2 Jahren

War es schon immer so, dass das „starke Geschlecht“, also die Männer, mehr zu sagen haben als die Frauen? Leben wir heute – in den westlichen Demokratien – in einer Ausnahmewelt, in der auch die Frauen Mitspracherecht haben und sogar Kanzlerin werden können?

Nein, eher nicht: Carel van Schaik und Kai Michel beschreiben in „Die Wahrheit über Eva“ die Entstehung des als normal empfundenen patriarchalen Systems, somit die Historie der mangelnden Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen. Ein wirklich spannendes Buch, das vieles dessen, was wir als „normal“ oder „natürlich“ empfinden, als gesellschaftlich bedingt entlarvt.

Ein Zitat soll Lust auf das spannende Buch machen:

„Wir haben es mit einer männlich deformierten Realität zu tun, die so tut, als sei sie die tatsächliche Wirklichkeit, dabei ist sie nur ein kulturelles Produkt, eine Simulation. Geschichten wie die von Eva, immerhin der Anfang des mächtigsten Buchs der Weltgeschichte, dienten dazu, den Frauen (und Männern) zu suggerieren, dass diese Verzerrung die Normalität sei, gottgegeben. Wir leben in einer patriarchalen Matrix – der Patrix.“ (S. 31)

Es gibt keinen naturgegebenen Grund, warum Männer und nicht Frauen –oder aber beide – herrschen sollten. Es liegen kulturelle Ursachen vor. Die entwickeln sich, wie die zwei Autoren darstellen, im Wechsel von den Jäger-und-Sammler-Kulturen zu landwirtschaftlich und von Mangel geprägten Siedlungsformen über früh-christliche und römisch-griechische Einflüsse bis zum Wirken der katholischen Kirche.

Vom Inhalt her sehr interessant, zudem gut geschrieben. Ich habe das Buch gerne gelesen und mich dabei oftmals gefragt: Wie wäre die Welt geworden, wenn wir ausgehend von keltischen und germanischen Kulturen ohne römische und katholische Einflüsse eine Zivilisation aufgebaut hätten?

Cover des Buches Das Tagebuch der Menschheit (ISBN: 9783499631337)
PhilippWehrlis avatar

Rezension zu "Das Tagebuch der Menschheit" von Carel van Schaik

Eine Hommage zweier Agnostiker an das Buch der Bücher
PhilippWehrlivor 7 Jahren

Evolution und Bibel? - Diese Kombination assoziieren wir mit Streitgesprächen. An vorderster Front sehen wir den Evolutionsbiologen Richard Dawkins,  der sich ‚militanter Atheist’ nennt und erklärt, der Gott des Alten Testaments sei „ein kleinlicher, ungerechter, nachtragender Überwachungsfanatiker, ein rachesüchtiger, blutrünstiger ethnischer Säuberer: ein frauenfeindlicher, homophober, rassistischer, Kinder und Völker mordender, ekliger, grössenwahnsinniger, sadomasochistischer, launisch-boshafter Tyrann.“ 

Deshalb war ich einigermassen überrascht, als im anthropologischen Museum Zürich eine Zeitung der reformierten Kirche auflag. Noch einmal überrascht war ich, in dieser Zeitung ein Interview mit dem Direktor des anthropologischen Museums Zürich, Carel van Schaik, zu lesen. Thema des Interviews: Der Bestseller ‚Das Tagebuch der Menschheit – Was die Bibel über unsere Evolution verrät’, den van Schaik zusammen mit dem Historiker und Wissenschaftsjournalist Kai Michel schrieb, der in den Zeitungen ‚Die Zeit’,  ‚FACTS’ und ‚Die Weltwoche’ zu Themen Archäologie, Religion und Evolution bearbeitete.

Tatsächlich zeigen uns van Schaik und Michel Schätze der Bibel, die auch Atheisten begeistern dürften. Sie erreichen dies, indem sie eine eigentlich naheliegende Perspektive einnehmen: Sie lesen die Bibel als ‚Buch der Bücher’, als weltweit reichste Sammlung historischer Zeugnisse, als Tagebuch der Menschheit, in dem über mehr als tausend Jahre verschiedene Menschen ihre Gedanken, Fragen und Ideen festhielten. Diese Berichte vergleichen sie mit den Erkenntnissen der Archäologie und erreichen dadurch ein wesentlich lebendigeres Bild der Antike, aber auch der Frühgeschichte.

Natürlich bemerken auch die Autoren die Brutalität des alttestamentlichen Gottes. Sie untersuchen aber, wie denn aus der von Dämonen und Geistern erfüllten Welt der Jäger und Sammler ein einziger, allmächtiger, aber grausamer Gott wachsen konnte. Fast könnte man sagen, sie unterziehen den grausamen Gott einer Psychoanalyse und ergründen in dessen ‚frühester Kindheit’, worin denn die Grausamkeit gründet.

Die originelle und überzeugend belegte These: Durch die Sesshaftwerdung traten ungekannte Naturkatastrophen von geradezu apokalyptischen Ausmassen auf, Katastrophen, welche die Macht von Dämonen oder lokalen Göttern bei weitem überstiegen. Wenn ein Erdbeben eine ganze Stadt zertrümmerte, wenn Hunderte von Menschen in einem Tsunami ertranken oder von einem Vulkan verschüttet wurden, dann musste eine gewaltige Macht dahinter stehen.

Anschaulich schildern die Autoren, wie sich in den ungeschickt gebauten ersten Städten Seuchen ausbreiten, oft durch Haustiere eingeschleppt, welche in Jägerkulturen noch kaum bekannt waren. Nachvollziehbar ist auch das moralische Dilemma, als die ersten Bauern ihre Felder schützen wollten. In Jahrmillionen langer Evolution hat sich das Naturgesetz in unsere Gene eingegraben, alles, was die Erde hergibt, gehöre allen. Früchte, die noch am Baum hängen, die man aber doch nicht essen darf, waren undenkbar. Ein Bauer, der seine Ernte verteidigt, der wie Kain seinen eigenen Bruder erschlägt, nachdem er ihn heimtückisch mit reifen Feldfrüchten angelockt hat, so etwas gab es unter Jägern nicht.

Van Schaik und Michel anerkennen die kulturelle Meisterleistung, die intuitive, angeborene Jägerethik zu überwinden und dem Bauern zu seinem überlebensnotwendigen Recht zu verhelfen. Sie machen aber auch klar, welche Kraftanstrengung nötig war, der Jägernatur eine zweite oder gar eine dritte Natur anzuerziehen.

So führen uns die Autoren durch die Abschnitte der Bibel von der Schöpfungsgeschichte über Moses, die Könige über Jesus bis zu den Evangelisten. Sie berücksichtigen dabei, wann und in welchem Zusammenhang eine Textstelle zum ersten Mal auftaucht und ziehen auch Texte anderer Kulturen hinzu oder hebräische Texte, die es nicht in den offiziellen Kanon der Bibel geschafft haben. Sie zeigen, wie sich parallel zur kulturellen Evolution des Menschen auch der Gott Jahwe entwickelt hat.

In diesem Punkt unterscheiden sich Van Schaik/Michel am stärksten von Dawkins: Sie zeigen Hochachtung für die grandiose kulturelle Leistung, die angeborene Jäger- und Sammlermentalität zu überwinden und Gesellschaftsformen zu erfinden, die für Bauern, Händler und insbesondere für Städter tauglich waren. Sie honorieren, dass die Bibelautoren diese kulturelle Evolution über weite Strecken initiierten. Tragisch liest sich vor diesem Hintergrund der Satz in Kapitel 19: „Um das Jahr 400n. Chr. Jedoch wurde die Bibel durch die Kanonisierung ihrer Schriften schockgefroren.

Tatsächlich wurde die Entwicklung des Christentums durch die Kanonisierung zumindest stark gebremst. Kühn scheint mir daher die These, durch das Christentum seien die Wissenschaften und die Demokratie gefördert worden. Wissenschaften seien in einer monotheistischen Religion entwickelt worden, weil es eher denkbar sei, die Gedanken und Pläne eines einzelnen Gottes zu ergründen, als die eines in sich zerstrittenen Pantheon. Natürlich waren bis vor kurzer Zeit praktisch alle westlichen Wissenschaftler Christen oder Juden, wohl aber vor allem mangels Alternativen.

Spannend ist aber die Frage, die van Schaik und Michel zum Abschluss aufwerfen: Wie würde das Abendland heute aussehen, wenn die Kanonisierung nie stattgefunden hätte? Wie würde die Welt aussehen, wenn wir die Religion nicht eingefroren, sondern stetig weiter entwickelt hätten und heute vielleicht am 5. Testament schreiben würden?

Das ‚Tagebuch der Menschheit’ ist eine unterhaltsam geschriebene, durchwegs gelungene und empfehlenswerte Hommage zweier Agnostiker an das Buch der Bücher, das wichtigste Buch des Abendlandes.


Nachtrag vom 1. Oktober 2017
Im Podcast der Skeptiker Schweiz habe ich ein Interview mit Carel van Schaik zu diesem Buch geführt.

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