Rezension zu "Hexensabbat" von Carlo Ginzburg
Das Buch hat mich ein wenig an Hans Peter Duerrs „Die Fahrt der Argonauten“ erinnert: Gegenstand ist die Suche nach den historischen Fakten hinter ethnologisch-mythologischen Motiven und Erzählungen. Ginzburg beschäftigt sich im vorliegenden Buch mit der Frage, warum gegen Ende des 14. Jahrhunderts eine auffällige Häufung von Erzählungen angeblicher nächtlicher Ritte von Frauen inkl. Gelagen die Akten der Inquisition bzw. Gerichte bevölkern. Dass es magische Praktiken im Volksglauben gab, war bereits zu jenen Zeiten aktuelles Wissen – ein Grund, warum die Inquisition zu Beginn der Frühen Neuzeit in verstärktem Maße vermeintlicherweise gegen „Hexen“ vorgehen müsse. Ginzburg interessiert hierbei jedoch vor allem, ob nicht die Geschichten von „Hexen“ und insbesondere dem sogenannten „Hexensabbat“ nicht erst durch die Aufnahme und Verarbeitung in Gerichts- und Inquisitionsakten ihre Verbreitung gefunden hat. Und: was ist eigentlich die Basis dieser Metapher? Wo kam sie ethymologisch her, in welchen Gegenden Europas trat das Motiv insbesondere auf? Ginzburg arbeitet im Laufe seines Buches eine Vielzahl an Schrift- und Kulturquellen auf. Seine Suche nach dem historischen Kern des „Hexensabbat“ führt ihn nicht nur in die Antike und deren Mythen und Sagen, sondern auch zu den Kelten und Skythen, deren Kultur- und Sagenschatz gleichermaßen in europäischen Ideen bis heute Verarbeitung fand. Das Buch dokumentiert in eindringlicher Weise die Kontinuität von Gedanken und Ideen, über Kulturkreise und -grenzen hinweg. Es zeigt auch, wie sehr sich Mythen und Vorstellungen bis heute über die Jahrhunderte hinweg erhalten haben und dass wir noch heute mit deren Bedeutungsinhalt arbeiten – gleichsam wie unsere Vorfahren zu Beginn der Frühen Neuzeit.