Cover des Buches Das Labyrinth der Lichter (ISBN: 9783100022837)
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Rezension zu Das Labyrinth der Lichter von Carlos Ruiz Zafón

"Eine Geschichte ist ein unendliches Labyrinth aus Wörtern, Bildern und Geistern, ..."

von annepei vor 7 Jahren

Kurzmeinung: Würdiges Ende der Reihe vom Friedhof der vergessenen Bücher, Zafón entführt uns ein letztes mal in ein Barcelona, das es so nicht mehr gibt.

Rezension

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annepeivor 7 Jahren
"Eine Geschichte ist ein unendliches Labyrinth aus Wörtern, Bildern und Geistern, die sich verschwören, um uns die unsichtbare Wahrheit über uns selbst zu enthüllen.“

Kurze Eckdaten:
Mit „Das Labyrinth der Lichter“ (Original: „El laberinto de los espίritus“) schließt der bekannte spanische Autor Carlos Ruiz Zafón seine Reihe um den Friedhof der vergessenen Bücher ab. Die deutsche Übersetzung erschien 2017 im S.Fischer Verlag.

Handlung in 3 Sätzen mit Nennung des Titels:
Wir befinden uns in Spanien in der Mitte des 20. Jahrhunderts und die vom Schicksal gezeichnete Alicia Gris wird auf den Fall des verschwundenen Kulturministers Mauricio Valls angesetzt. In seinem Büro findet sie ein düsteres Buch über das Labyrinth der Lichter, dessen Autor Valls aus seinen Zeiten als Gefängnisdirektor in Barcelona zu kennen scheint. Alicia kehrt nach Barcelona zurück, wo sie geboren wurde und merkt, dass die Lösung des Rätsels um Valls Verschwinden untrennbar mit den Orten ihrer Kindheit, der Buchhandlung Sempre&Söhne und dem mysteriösen Friedhof der vergessenen Bücher zusammenhängt.

Meine bescheidene Meinung:
Das lange Warten auf das Finale um die Reihe des Friedhofs der vergessenen Bücher hat endlich ein Ende. „Das Labyrinth der Lichter“ hat sich nicht weniger vorgenommen, als die Erzählstränge von „Der Schatten des Windes“, „Das Spiel des Engels“ und „Der Gefangene des Himmels“ zu vereinen und alle offenen Fragen zu klären. Meiner Meinung nach ist ihm dies zweifellos gelungen.
Ich bin bereits Fan seit dem ersten Roman und bin froh, dass an dessen Erfolgsrezept im Verlauf der Reihe (trotz an sich unterschiedlicher Geschichten) nicht viel verändert wurde: Man nehme die Kulisse eines düsteren Barcelonas zu politisch schwierigen Zeiten und setzte einen von Schicksalsschlägen nicht verschonten Protagonisten, der mit seinem Platz in der Welt hadert, sich aber stets auf die Literatur verlassen kann, hinein. Das ist jetzt natürlich absichtlich stark heruntergebrochen. Die Atmosphäre beim Lesen ist einfach unglaublich, man sieht automatisch alles als schwarz-weiß Film vor sich (diesmal sogar noch begünstigt durch die eingestreuten schwarz-weiß Fotos) mit dunklen Gassen überall und zwielichtigen Gestalten, die nichts Gutes im Sinn haben. Als ich nach der Lektüre der ersten drei Bände zum ersten mal in Barcelona besichtigte, war ich schockiert, dass es hell, weitläufig und voller Menschen war. Anscheinend bin ich circa 60 Jahre zu spät gekommen. Aber natürlich denke ich das nicht wirklich, denn obwohl dieses düstere Barcelona hier schon stark romantisiert wird, bekommt man auch immer wieder vor Augen geführt, wie gefährlich die politische Situation damals war. Diese dient auch immer wieder als Kompost-Haufen auf dem die Skandale und Intrigen gedeihen, die den Figuren der Bücher zusetzen.
In diesem abschließenden Band treffe ich sie nun alle wieder, die ich bisher lieben gelernt habe. Und obwohl sie alle eine gewisse Melancholie aufweisen, gleichen sie sich doch keineswegs. Wobei man schon sagen muss, dass man als Kenner der vorherigen Werke einen eindeutigen Vorteil hat. Vieles, was ich von Anfang an über die Personen wusste, wird Neuanfängern erst im Laufe des Buches (was circa bis Seite 400/450 dauert, meiner Meinung nach zu lange, um einen ungeduldigen Leser bei der Stange zu halten) erklärt. Und dass wo in diese Geschichte mehr Personen verwickelt sind, als je zuvor.
Aber Carlos Ruiz Zafón neigt eben zu epischen Breiten. Das bezieht sich auf seine verstrickten Plots genauso wie auf seine Charaktere, die er über das Leben philosophieren lässt. Der Autor hat einen sehr besonderen Schreibstil, der es dem Leser sehr einfach macht, in die Geschichte einzutauchen. Es ist alles sehr ausladend erzählt (was man sich bei einem fast 950 Seiten Roman wohl denken kann), aber es wirkt nicht lang gezogen, weil der Autor alles, einfach alles erzählenswert wirken lässt.
Trotzdem reicht „Das Labyrinth des Lichter“ nicht an „Der Schatten des Windes“ und „Das Spiel des Engels“ heran, ist aber meiner Meinung nach trotzdem besser als „Der Gefangene des Himmels“. Vielleicht weil der letzte Band einfach zu viel wollte. Nach dem Abschluss der „Hauptstory“ folgt noch ein Bericht über die (ich nenne es mal, um nicht unnötig zu spoilern) nächste Generation, der das ganze wahrscheinlich abrunden soll. Mir kam es aber etwas zu rund vor und ich fand auch, dass dieser letzte Abschnitt einfach etwas lieblos nach Abschlussbericht klingt und sehr durchgehetzt wurde, im Vergleich zum Rest. Natürlich konnte man an der Stelle nicht nochmal 500 Seiten dranhängen, aber dann hätte man es vielleicht lassen müssen. Es muss nicht zwangsläufig jeder Strang zu Ende gedacht werden und der Autor scheint sich hier nicht an seinen eigenen bzw. Julían Carax‘ Ratschlag zu halten, „dass ein Buch nie fertig ist und dass es, wenn wir Glück haben, uns von sich aus verlässt, damit wir es nicht für den Rest der Ewigkeit umschreiben müssen.“

Empfehlung:
Lesen sollte dieses Buch jeder, der die Literatur, Barcelona, mysteriöse Rätsel, melancholische Figuren oder eine gute Geschichte schätzt.
Nicht lesen sollte dieses Buch jeder, der nichts von ausladenden Reden und einem ausgeschmückten Schreibstil hält.

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