Carmen-Francesca Banciu

 4,4 Sterne bei 8 Bewertungen
Autorenbild von Carmen-Francesca Banciu (©Marijuana Gheorghiu)

Lebenslauf

Aufarbeitung der eigenen Geschichte in einer neuen Welt: Carmen-Francesca Banciu ist 1955 im rumänischen Lipova geboren worden. Ihr Vater war im kommunistischen Rumänien ein hoher Regierungsbeamter. Mit ihrer Familiengeschichte und den Differenzen zwischen ihrer eigenen Meinung und der ihres Vaters setzt sie sich auch in ihrem autobiografisch inspirierten Roman „Lebt wohl, Ihr Genossen und Geliebten!“ von 2018 auseinander. Das Buch erhält viel positive Resonanz und schafft es auf die Longlist des Deutschen Buchpreises 2018 – und rückt Banciu in das Licht der Aufmerksamkeit. Von Verboten zu großen Erfolgen: Banciu studierte zunächst Kirchenmalerei und Außenhandel in Bukarest. 1985 erhält sie für „Das strahlende Ghetto“ von der deutschen Stadt Arnsberg den Internationalen Kurzgeschichtenpreis verliehen, woraufhin ihr Werk in Rumänien einem Publikationsverbot unterworfen wird. 1990, als das kommunistische Regime in Bancius Heimat zerfällt, wandert sie aus und zieht nach Berlin. Seit 1996 schreibt sie nicht mehr nur auf Rumänisch, sondern auch auf Deutsch. Zusätzlich zur Schriftstellerei ist Banciu auch als Lektorin und Kommentatorin tätig und leitet außerdem Seminare für Kreatives Schreiben in Europa und den USA.

Neue Bücher

Cover des Buches Mutters Tag (ISBN: 9783962581961)

Mutters Tag

Neu erschienen am 16.10.2024 als Buch bei PalmArtPress.

Alle Bücher von Carmen-Francesca Banciu

Cover des Buches Ilsebill salzt nach (ISBN: 9783962581305)

Ilsebill salzt nach

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Erschienen am 24.04.2023
Cover des Buches Lebt wohl, Ihr Genossen und Geliebten! (ISBN: 9783962580032)

Lebt wohl, Ihr Genossen und Geliebten!

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Erschienen am 30.08.2018
Cover des Buches Leichter Wind im Paradies (ISBN: 9783941524606)

Leichter Wind im Paradies

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Erschienen am 23.02.2015
Cover des Buches Vaterflucht (ISBN: 9783867890779)

Vaterflucht

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Erschienen am 01.08.2009
Cover des Buches Mutters Tag (ISBN: 9783962581961)

Mutters Tag

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Erschienen am 16.10.2024
Cover des Buches Mother's Day - Song of the Sad Mother (ISBN: 9783941524477)

Mother's Day - Song of the Sad Mother

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Erschienen am 04.09.2015

Neue Rezensionen zu Carmen-Francesca Banciu

Cover des Buches Ilsebill salzt nach (ISBN: 9783962581305)
M

Rezension zu "Ilsebill salzt nach" von Carmen-Francesca Banciu

Leben und Schreiben in Zyklen
MartinaKirchhofvor einem Jahr

Carmen-Francesca Banciu hat bereits ein umfangreiches Werk vorgelegt, das aus Romanen und Erzählungen besteht. Seit 1998 publiziert sie auf Deutsch, nachdem sie 1991 am Ende eines DAAD-Stipendiums beschlossen hat, in Berlin zu bleiben und nicht in ihre rumänische Heimat zurückzukehren. Von dieser und ihrer Kindheit und Jugendzeit in einer stramm kommunistischen Familie mit Eltern, die zu hundert Prozent auf Parteilinie lagen und von der Schaffung einer neuen Gesellschaft nahezu fanatisch überzeugt waren, handeln viele von Bancius Romanen wie zum Beispiel „Lebt wohl, ihr Genossen und Geliebten“ (2018) oder „Vaterflucht“ (1998). Daneben gibt es Romane und Erzählungen, die sich mit ihrer zweiten Heimat Griechenland sowie ihrer Wahlheimat Berlin befassen.

 

Im Frühjahr 2023 erschien nun der Roman „Ilsebill salzt nach“ (bei PalmArtPress Berlin). Literatur- und insbesondere Günter-Grass-Kenner werden den Titel unschwer als den ersten Satz aus dem „Butt“ identifizieren  (er wurde übrigens als bester erster Satz gekürt). Und in der Tat geht es in diesem „Briefroman“ um Günter Grass, aber – und das ist gut so – auch um die Autorin selbst sowie um den Mikrokosmos eines kleinen norddeutschen Dorfs, Wewelsfleth, in dem Günter Grass einige Jahre gelebt und seinen „Butt“ geschrieben hat. Die Wohn- und Arbeitsstätte des Schriftstellers wurde bei seinem Wegzug dem Land Berlin übereignet, mit der Auflage, dort Berliner Schriftstellern und Schriftstellerinnen im Rahmen des Alfred-Döblin-Stipendiums einen Aufenthalt zu ermöglichen. 

 

Die Autorin tritt also dort ihr Stipendium an mit einem neuen Projekt im Kopf, wird aber dann im Haus in Wewelsfleth auf geheimnisvolle Weise von der unsichtbaren, aber spürbaren Präsenz von Günter Grass‘ Geist heimgesucht, begleitet und auch inspiriert. Fortan tritt sie in einen Dialog mit dem Nobelpreisträger, indem sie ihm Briefe schreibt („Lieber Günter“), Fragen stellt, empathische und kritische, und seinen Spuren im Dorf folgt. Der 'Dialog' bleibt freilich einseitig, da der Briefwechsel nur in eine Richtung geht und die Fragen naturgemäß unbeantwortet bleiben. Der Leser erfährt aber trotzdem einiges über Grass, seine Lebensstationen, seinen ‚Sündenfall‘ durch eine verschwiegene und erst spät enthüllte SS-Mitgliedschaft, seine Lebenshaltung. Immer wieder flicht Banciu prägnante Zitate ein (z.B. „Ich rauche zuviel, aber regelmäßig.“). Glücklicherweise erfahren wir auch einiges über die Autorin (oder Erzählerin), die in ihren Briefen immer wieder – oder man könnte fast sagen überwiegend – eigene Gedanken, Erinnerungen, Begegnungen, Eindrücke schildert. Es gelingt der Autorin sehr geschickt, ihre eigenen Themen mit den Lebensthemen von Günter Grass zu synchronisieren, Unterschiede und Ähnlichkeiten nachzuspüren und kreisend, zwischen Grass und dem Eigenen oszillierend, Themen gedanklich zu entwickeln, die im Grunde fast jedes Menschenleben betreffen: das Empfinden der Natur und ihrer Jahreszeiten, die Wahrnehmung von Zeit, Schuld und Verzeihen, Versöhnung, das Bedürfnis nach menschlichem Austausch – sei es in Person oder über soziale Medien, Lebensmittel und Kochen, Umgang mit dem Tod, das Leben auf dem Dorf, Szenarien einer zukünftigen Gesellschaft, die Erfahrung des Schreibens. 

 

So wie Banciu sich immer wieder mit den Grassschen Lebensthemen verknüpft, so kann der Leser an Bancius Gedankenwelt ‚andocken‘ und eigene Sichtweisen vergleichend hinzufügen. Umso mehr da die elliptische, durchrhythmisierte Sprache der Autorin an vielen Stellen einen starken Sog entwickelt. Ein Beispiel: „Der Tag fühlt sich an, als würde er blass. Kränkelnd. Ein verlorener Tag. Was ihn rettet und mich rettet, ist das Wissen über die Wellenförmigkeit des Lebens. Der Lebensenergie. Alles schwingt. Verläuft in Wellen. Ist in ständiger Bewegung. Absteigend. Aufsteigend.“ Eine weitere Metapher, die der Autorin beim Erfassen dessen, was unser Leben ist, dient, ist der Kreis: „Verläuft das Leben nicht auch in konzentrischen Kreisen. In sich wiederholenden Formen. Strukturen. Rhythmen. Zyklen.“ Einem solchen Muster folgt Banciu auch beim Aufbau ihres Romans. Neben den kleinen Kreisen der immer wiederkehrenden Themen und Fragen schließt sich am Ende der große Kreis: Der Stipendiumsaufenthalt endet, Abschied von Wewelsfleth und eine Art Resumé: „Niemand kannte ich vor drei Monaten hier. Weder Mensch. Baum. Noch Tier. Ein Anfang ist gemacht. Ein Annäherungsversuch im Krebsgang. Auch Dich kannte ich noch nicht. Ich kenne Dich immer noch nicht. Ich reise ab. Die Spurensuche geht weiter. Da ist kein Ende in Sicht. Und Du wirst mich weiter begleiten.“

 

So etwa könnte auch das Resumé lauten, nachdem man „Ilsebill salzt nach“ zu Ende gelesen hat. Es handelt sich bei diesem jüngsten Werk nicht um einen Roman im klassischen Sinne (integriert sind übrigens auch Gedichte), auf der Handlungsebene geschieht wenig, dennoch hinterlässt der Roman ein Gefühl von Fülle und nimmt einen mit auf eine literarisch-lyrische Reise der besonderen Art.

Cover des Buches Lebt wohl, Ihr Genossen und Geliebten! (ISBN: 9783962580032)
dj79s avatar

Rezension zu "Lebt wohl, Ihr Genossen und Geliebten!" von Carmen-Francesca Banciu

Wie wissen wir, dass wir wissen, was wir wissen
dj79vor 5 Jahren

Es fällt mir schwer, die richtigen Worte zu finden, um das Buch von Carmen-Francesca Banciu zu bewerten. Es wird zwar als Roman bezeichnet und im Gesamtkontext fühlt sich das Gelesene auch irgendwie romanhaft an, trotzdem erinnert die Aufbereitung des Textes eher an einen tiefgründigen, nachdenklichen Poetry-Slam. Dabei ist die Dichtkunst auf einem hohen Level unterwegs.

Kurz vor dem Ableben ihres Vaters lässt Maria-Maria die Vergangenheit mit ihren Eltern und deren Gefährten, Genossen und Geliebten, Revue passieren. Dabei reflektiert sie die eigene, von außen eingeschränkte Beziehung zu ihrem Vater. Unter dem Leitspruch,

„Erst kommt das Vaterland, die Partei 

Die Arbeit, die Pflichten

Danach kommt die Familie“,

ist nicht viel Platz für die Tochter, die besser ein Sohn hätte sein sollen. Nur so ist auch die mangelhafte Würdigung der bisherigen Lebensleistung von Maria-Maria durch den Vater zu begreifen:

„Nichts kannst du, nichts wird aus dir

Niemand wird dich heiraten 

Pflegte Vater mir früher zu sagen

Jetzt sagt Vater zu mir

Was kannst du, kannst du überhaupt etwas“

Maria-Maria sinniert hoch philosophisch über das Leben ihres Vaters mit Partei und Geliebten, hinterfragt die Wirkung dessen auf die Mutter und sich selbst. Zudem setzt sie sich mit dem Entfallen des Systems und der plötzlichen Bedeutungslosigkeit des Vaters für die Gesellschaft auseinander.

Für mich hat Carmen-Francesca Banciu das linientreue, sozialistische Leben mit seiner besonderen Leistungsorientierung sehr gut eingefangen. Die mit dem Fall des Eisernen Vorhangs einhergehenden Ängste und Verluste stellt sie angemessen dar ohne zu glorifizieren. Dabei bringt sie auf den Punkt, was selten gewürdigt, vermutlich nicht einmal wahrgenommen wurde. Die Lebenswahrheit der Menschen war quasi über Nacht eine Neue.

Ich empfehle das Buch allen, die sich wirklich ein wenig mit sozialistischer Vergangenheit auseinandersetzen möchten, und bereit sind, sowohl auf Fließtext als auch fast ganz auf Satzzeichen zu verzichten.

Cover des Buches Lebt wohl, Ihr Genossen und Geliebten! (ISBN: 9783962580032)
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Rezension zu "Lebt wohl, Ihr Genossen und Geliebten!" von Carmen-Francesca Banciu

Nach dem Tod wird er ein Rabe sein
yellowdogvor 6 Jahren

Ein sehr autobiographischer Roman, erstaunlicherweise durchgängig und konsequent in einer Versform, die aber gut lesbar ist. Ein langes Prosagedicht! Von dieser Form sollte sich kein Leser abschrecken lassen. Sie ist im Gegenteil ein entscheidender Mehrwert.


Die Autorin stammt aus Rumänien,lebt aber schon lange in Deutschland und schreibt auch auf Deutsch.


Die Protagonistin des Romans kehrt für kurze Zeit zurück, als ihr Vater nach einem Unfall zum Pflegefall wird. Er liegt im Krankenhaus und wohl bald sterben wird.

Doch die Distanz zwischen ihnen ist groß. Er war immer ein 100prozentiger Kommunist, ein hoher Parteifunktionär. Nicht umsonst ist der Untertitel des Romans Tod eines Patrioten.

Der Vater hatte 2 langjährige Geliebte, Rebecca und Daria. Aber seine Tochter, die das Land verlassen hatte, ist für ihn eine Verräterin.

An so einem Vater kann man sich abarbeiten. Das tut sie und zeigt einen langen Sterbevorgang. An manchen Stellen kann das Lesen auch qualvoll sein.


Erwähnenswert ist noch das kluge Nachwort des großen György Dalos.


Erschienen ist das Buch in dem den kleinen unabhängigen Verlag PalmArtPress. Es sei dem Buch zu wünschen, dass es beim Deutschen Buchpreis auch in die Short List kommt.

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Zusätzliche Informationen

Carmen-Francesca Banciu wurde am 25. Oktober 1955 in Lipova (Rumänien) geboren.

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